Exkurs II: Wetten, daß? ...es ganz einfach ist!

So kann man Magische Quadrate wieder in Erinnerung rufen. In der Fernsehshow "Wetten daß?" vom 5.10.2002 trat ein Teilnehmer auf, der wettete, er könne ein magisches 4 ´ 4-Quadrat mit vorgegebener, 6-stelliger magischer Summe an die Tafel schreiben. Zeitlimit 5 Minuten. Alle Werte im Kopf ausgerechnet versteht sich!

Für gewöhnlich bleibe ich dem Fernsehen fern (daher die Bezeichnung). Aber meine Frau rief mich; das wäre doch was für mich...sicher total schwierig... Vermutlich war ich dem Ernst der Lage entsprechend nicht angemessen beeindruckt genug. Ich sah mir das Spiel an und hatte wenig Zweifel am Erfolg des Kandidaten. Ich hatte spontan das Schema von Bergholt vor Augen und rätselte nur, ob eine Primzahl als magische Summe eine besondere Schwierigkeit darstellen könnte.

Dem Kandidaten wurde 216784 als magische Zahl vorgegeben. Man sieht sofort, daß die Zahl durch 4 teilbar ist; das eröffnet sogar die einfache Möglichkeit, auf der Basis des Dürer-Quadrates eine Lösung aufzustellen - doch die sieht auffällig einfach aus. Doch nicht zu voreilig, schauen wir, wie es weiterging:

Man sah dem Kopfrechner die gewaltige Denkanstrengung an, als er die erste Zahl in die linke obere Ecke des Schemas schrieb: 134864. Die nächste Zahl, ebenso bedacht aufgeschrieben, war 4096. Mit einem Schlag war ich hellwach! Es folgten später noch die Werte 32768, 8192, 16384. Alles Zweierpotenzen!

Nach der zeitgerechten Fertigstellung sah das Quadrat so aus; es war natürlich magisch:

 134864   4096   49152   28672 
 45056   32768   130768   8192 
 20480   40960   12288   143056 
 16384   138960   24576   36864 

Der Kandidat wußte außerdem hervorzuheben: "um die Sache ein bißchen schwieriger zu machen, ergeben auch noch die Summen der vier Mittelfelder sowie die der vier Eckfelder die magische Zahl. Deswegen hat es auch ein wenig länger gedauert"  (sinngemäß zitiert). Wir werden weiter unten darauf zurückkommen.

 Analyse

Nehmen wir uns die Freiheit, das Quadrat nochmals aufzuschreiben, jedoch mit den unmittelbar auffälligen Zahlen in etwas anderer Schreibweise:

 134864   4096 
 ´ 212 
 49152 
 12 ´ 212 
 28672 
 ´ 212 
 45056 
 11 ´ 212 
 32768 
 ´ 212 
 130768   8192 
 ´ 212 
 20480 
 ´ 212 
 40960 
 10 ´ 212 
 12288 
 ´ 212 
 143056 
 16384 
 ´ 212 
 138960   24576 
 ´ 212 
 36864 
 ´ 212 

Erkenntnisse

  1. Der Zahlenwert 4096 wird im Schema verteilt mit den Werten 1 bis 12 multipliziert.
  2. Die farblich hervorgehobenen vier Einträge sind offenbar nicht durch 4096 teilbar. Das ist erklärlich, denn irgendwie muß die magische Zahl erzeugt werden.
  3. Die vier verbleibenden Einträge sind so angeordnet, daß in jeder Zeile und jeder Spalte genau ein Eintrag steht.
  4. Zwei der verbleibenden Einträge liegen je einer auf den Diagonalen.
  5. Vier "variable" Einträge sind das Minimum, um die Zeilensumme, die Spaltensumme und die der Diagonalen auf einen vorgegebenen Wert einzustellen.

 Experimentierphase

Ich hatte keine Lust, die restlichen vier Werte zu faktorisieren, zumal ich mir nur schwer vorstellen konnte, daß der Kandidat eine Faktorisierung der magischen oder anderer Werte Zahl zur Voraussetzung seines Verfahrens machte. Ich nahm den Taschenrechner und probierte einfach mal Divisionen mit 4096. Dabei kam raus:

Sieh an. Diese Werte sind sehr aufschlußreich. Die Vorfaktoren vor 4096 liegen konsekutiv. Der Offset ist stets gleich. Sobald einer der Zahlenwerte bekannt ist, können die restlichen 3 durch Additionen von 4096 ermittelt werden.

 Formales Kondensat

Seien k und p natürliche Zahlen. Konstruiere ein Quadratschema wie folgt:

 p + k + 20 k   p + 21 k 
 p + k   ´ k   12 ´ k   ´ k   p + k + 20 k 
 11 ´ k   ´ k   p   ´ k   p + 21 k 
 ´ k   10 ´ k   ´ k   p + 3 ´ k   p + 3 k + 18 k 
 ´ k   p + 2 ´ k   ´ k   ´ k   p + 2 k + 19 k 
 p + k + 20 k   p + 2 k + 19 k   p + 21 k   p + 3 k + 18 k 

Dieses Quadrat hat in den Zeilen und Spalten jeweils die Summe p + 21 k (grün unterlegt). Die Summe der Zellen in den beiden Diagonalen ist ebenfalls p + 21 k (rot unterlegt). Das Quadrat ist echt magisch, sobald 16 verschiedene Einträge in den Zellen vorhanden sind.

Anders ausgedrückt: Wir können die magische Summe s ziemlich frei festglegen. Der Zahlenwert k kann ebenfalls frei gewählt werden, muß aber der folgenden Bedingung genügen:

    k £ s / 21

Für p muß offensichtlich gelten:

    p ¹ n k, n Î {1..12}
    p = s - 21 k

Bleibt noch die Frage, wieso ausgerechnet k = 4096 gewählt wurde. Fast jede andere Zahl tät's doch auch? Mit k = 4000 wäre die Sache für den Vorführenden doch erheblich einfacher!? Ich vermute:

 Synthese

Bauen wir uns einen Algorithmus, um die Fernsehshow nachzuspielen! Wir gehen in einigen wenigen Schritten vor:

  1. Man lerne die 12 Zahlenwerte und ihre Positionen auswendig, die sich durch die Multiplikation der 4096 mit den Faktoren 1 bis 12 ergeben.
  2. Man lerne den Wert 100000 - 21 x 4096 = 13984 auswendig
  3. Subtrahiere von der gegebenen sechsstelligen magischen Summe s von der vordersten Ziffer eine 1.
  4. addiere dann 13984 dazu. Ist diese Zahl keine der 12 auswendig gelernten Produkte von 4096? Dann schreibe diesen Wert in die Zelle (2,2)1. Ansonsten muß eine Alternativrechnung stattfinden - siehe unten.
  5. Ermittle die Werte der Zellen (0,3), (1,0) und (3,1) durch Addition von 4096 auf den Wert der Zelle (2,2).
  6. Schreibe alle errechneten oder gelernten Werte in die passenden Zellen

Und wenn das Unerwartete doch eintritt? Dann ist nicht viel passiert.

  1. Wähle k = 4097. Rechne wie zuvor, aber subtrahiere nach obigem Schritt 4 zusätzlich den Wert 21.
  2. Die restlichen drei Werte ergeben sich durch Addition von 4097 statt 4096.
  3. Die übrigen, auswendig gelernten Werte werden je nach Vorfaktor um 1..12 erhöht. Man kann sie auch einfach auswendig lernen.

 Abfallprodukt

Sie erinnern sich noch an die Bemerkung über die Summen der Eck- bzw. Mittelfelder? Es ist an der Zeit, Bergholts Schema herauszuholen. Die interessierenden Felder habe ich gleich hervorgehoben:

 A - a   C + a + c   B + b - c   D - b 
 D + a - d   B   C   A - a + d 
 C - b + d   A   D   B + b - d 
 B + b   D - a - c   A - b + c   C + a 

Veranschaulichen wir uns an der ersten Zeile, wie die magische Summe zustandekommt:

    (A-a) + (C+a+c) + (B+b-c) + (D-b) = A+B+C+D

Die Summe der Felder im Mittelkarree ist folglich magisch. Das ist keine Überraschung. Ein Blick auf die Eckfelder zeigt uns:

    (A-a) + (D-b) + (B+b) + (C+a) = A+B+C+D

Auch die Summe der Eckfelder ist magisch. Und das ist zwangsweise bei jeden magischen Quadrat der Kantenlänge 4 der Fall. Ist das Quadrat richtig berechnet, gilt der Zusammenhang unbedingt. Es handelt sich deswegen um keine besondere Erschwernis, diese Bedingung zu erfüllen, sie ist schlicht ein Abfallprodukt aus der allgemeinen Formel.

 Fazit

Wir wissen nicht, auf welche Weise der Fernsehkandidat seine Zahlen errechnet hat. Wir haben lediglich basierend auf einem speziellen Resultat eine Analyse durchgeführt und daraus Schlüsse gezogen. Der synthetisierte Algorithmus ist denkbar einfach, denn er kommt mit vier Additionen aus. Die Subtraktion der 1 auf der ersten Ziffer von s will ich hier nicht bewerten. Weniger Additionen sind nicht möglich, da neben der Schlüsselzahl p noch drei weitere Werte zu ermitteln sind.


Anmerkungen:
1. Die Koordinatenschreibweise folgt der Definition aus dem formalen Teil über die magischen Quadrate.

2. Die Originalfassung dieses Textes wurde am 9.10.2002 an dieser Stelle veröffentlicht. Spätere Fassungen dienten lediglich der Korrektor von Schreibfehlern.


Stand: 08.02.2004 /
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