Rotierende Systeme

Perpetuum-Mobile-Konstrukteure, die wissen, daß das Hebel-PM nicht funktioniert, haben den Grund dafür erkannt: Die Maschine macht sich die Fliehkraft bzw. den Drehimpuls der bewegten Massen nicht zunutze. Die Anwort auf diesen Mangel sind Schwungrad-Maschinen. Mit ihnen sollte es möglich sein, die statischen Hebelgesetze zu überlisten!

Grundlagen

Erinnerung an ein paar Formeln und Formelzeichen aus der Schulphysik:

Symbol/Formel Begriff
t Zeit
s Weg
m Masse
g Erdbeschleunigung 9,81 m/s2
v = s / t Geschwindigkeit
T Umlaufszeit
w = 2 · p / T Kreisfrequenz
F = m · a Kraft
W = F · s Arbeit
P = W / t Leistung
I = m · v Impuls

 Drehimpuls

Eine idealisierte, punktförmige Masse m wird mit Abstand r an einer Achse befestigt. Die Achse rotiert mit konstanter Drehzahl w.

Die Masse m hat einen Impuls. Wird die Masse auf eine Kreisbahn gezwungen, sprechen wir vom Drehimpuls. Es gilt:

Symbol/Formel Begriff

v = 2 · p · r / T

Tangentialgeschwindigkeit
D = m · r · v Drehimpuls
D = m · r2 · w Drehimpuls

Der Stab, der m mit der Welle verbindet, wird normalerweise als masselos und starr angenommen. Tatsächlich ist es für den Drehimpuls der Masse m irrelevant, ob der Stab starr ist; es könnte genausogut eine gespannte Feder sein, eine gespannte, weiche Schnur o.ä. Wichtig ist nur, daß die innere Spannung des Verbindungsgliedes bei Radius r exakt der Fliehkraft F entspricht, allerdings in umgekehrter Richtung. Womit wir bein nächsten Thema sind: der Fliehkraft.

 Fliehkraft und Energie

Da die Verbindung der oben beschriebenen Masse m mit der Drehachse beliebig sein darf, kann man z.B. eine Schnur und eine Umlenkrolle anordnen. In der Mitte der Drehachse wird die Kraft abgeleitet. Auf diese Art kann die Fliehkraft bestimmt werden. Man muß nur an das Ende der Schnur ein Gewicht anhängen oder eine Federwaage:

Der Radius r ist genau dann konstant, wenn die Kräfte F1 und F2 betragsmäßig gleich sind. Für die Kraft F1, die gemeinhin als Fliehkraft bezeichnet wird, gilt:

Symbol/Formel Begriff
v = 2 · p · r / T Tangentialgeschwindigkeit
J = m · r2 Trägheitsmoment
Z = m · r · w2 Zentripetalkraft
F = -Z Zentrifugalkraft
E = J · w2 / 2 Rotationsenergie
E = m · r2 · w2 / 2 Rotationsenergie

In der technischen Praxis werden Schwungmassen nutzbringend angewendet, um Energie mechanisch zu speichern. Die Formel des Trägheitsmomentes und die der Energie veranschaulichen klar, warum Schwundräder möglichst großen Durchmesser haben und warum die Hauptmasse des Schwungrades auf den Außenkranz verlegt wird.

Soweit, so einfach.

 Erhaltung des Drehimpulses

Die grundlegenden Arbeiten auf dem Gebiet der rotierenden Systeme verdanken wir Christiaan Huygens (14.4.1629-8.7.1695), der unter anderem auch ein Prinzip formulierte, das wir heute als Satz von der Erhaltung des Drehimpulses bezeichnen. Versuchen wir eine schlüssige Argumentation ohne die Verwendung des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik, um diesen Satz kennenzulernen und zu verstehen. Wir betrachten dazu drei rotierende Systeme und untersuchen ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede.

System 1:
2 Massen m
in festem Abstand r1
System 2:
2 Massen m
in festem Abstand r2 = r1/2
System 3
2 Massen m
in variablen Abstand r
r2 <= r <= r1

Im Ausgangszustand seien alle Systeme in Ruhe.

 Falsche Ideen

Trugschluß 1: Der Eiskunstläufer

 Behauptung      Jeder kennt die Pirouette des Eiskunstläufers. Hat er die Arme ausgebreitet, rotiert er langsam, zieht er die Arme an, dann rotiert er schnell. Gibt man dem Eiskunstläufer in jede Hand eine Hantel, dann tritt der Effekt noch besser auf. Wenn man nun die Hanteln, wenn sie dicht beisammen sind, mit einer Feder verbindet, und der Eiskunstläufer die Arme wieder ausbreitet, dann kann er die Feder leichter spannen, als ohne die Hanteln und ohne die Rotation.
Die Fliehkraft der Hanteln hilft beim Spannen der Feder. Die Rotationsenergie bleibt vollständig erhalten.
 Antwort:      Stimmt die Sache? Eine Feder kann man nicht "gratis" spannen, also muß die Energie, die in der Feder landet, irgendwo herkommen. Ein Rückgriff auf das in Physik I vorgestellte Federmodell ist hilfreich.

In vielen naturwissenschaftlich-technischen Museen wird dieser Versuch mit einer Drehscheibe vorgeführt. Die Wirkung des Drehimpuls-Erhaltungssatzes läßt sich unmittelbar beobachten. Hier ein altes Bild von der Rückseite einer Publikation des Deutschen Museums in München:

Was übrigens den Pirouetteneffekt betrifft: Prof. G. Bruhn gibt einige ganz nützliche Herleitungen für die immer wieder falsch verstandene Thematik rund um den Erhaltungssatz des Drehimpulses. Wer sich die kleine Mühe macht, den Text Bourbaki contra Newton zu lesen - und zu verstehen, was evtl. ein klein wenig mehr Mühe erfordert, wird die naiven Versuche, auf diese Art ein Perpetuum Mobile zu erfinden, hoffentlich doch bleiben lassen.

Trugschluß 2: Die Bremswirkung

 Behauptung      Die Masse m laufe mit einem betimmten Radius r1 um. Der Radius wird auf r2 vergrößert. Auf welche Geschwindigkeit wird die Masse abgebremst?
 Antwort:      Die Masse wird überhaupt nicht abgebremst.


Stand: 14.01.2003 /
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