Methoden

Physikalische Methoden sind oft mit Mathematik belastet, und der Gesamteindruck dieser Wissenschaft wirkt auf die meisten Leute abschreckend. Ähnlich ist das mit den Ingenieurwissenschaften, da sich auch Ingenieure häufig mathematischer Modelle bedienen, um die Tauglichkeit ihrer Konstruktionen zu prüfen. Doch Wissenschaften sind keine Hexerei, sondern eher eine Mischung aus gesundem Menschenverstand und formalen Methoden, wenn es nötig ist.

Ein einfacher Ansatz

Wer kennt nicht die Enttäuschung, wenn man in ein (Universitäts-)Lehrbuch schaut? Unter einer Flut von Formeln sind die Fakten begraben, für die man sich interessiert. Ich verfolge hier einen anderen Ansatz, der genaugenommen der natürliche sein sollte. Eine Vorgehensweise zur Analyse einer - nicht notwendigerweise perpetuierlichen - Maschine könnte so aussehen:

  1. Seien Sie nicht leichtgläubig, sondern skeptisch.
  2. Sammeln Sie die bekannten Fakten, wie Abmessungen und Gewicht, Annahmen und Voraussetzungen. Was ist Tatsache, was Annahme, was ist Behauptung? Sind die Daten für eine weitere Analyse ausreichend oder nicht?
  3. Prüfen Sie, ob die Annahmen plausibel sind. Sind die Daten in sich schlüssig?
  4. Passen die Annahmen mit anderen bekannten Fakten zusammen? Gibt es Vereinfachungen, die möglicherweise Einfluß auf die erwartete oder behauptete Funktionsweise eines Konzeptes haben?
  5. Prüfen Sie, ob für die behauptete Funktionsweise bekannte physikalische Prinzipien richtig verwendet wurden. Sind irgendwelche versteckten, aber nicht genannten Annahmen gemacht worden? Gibt es Behauptungen, die Sie in die Irre leiten könnten oder gar sollen?
  6. Im ersten Schritt dürfen, wenn möglich und sinnvoll, Reibung, Kompressibilität von Flüssigkeiten und relativistische Effekte ignoriert werden. Die klassische Physik erzielt mit diesen Vereinfachungen brauchbare Ergebnisse.
  7. Zergliedern Sie die gesamte Konstruktion in überschaubare Teile. Es ist deutlich einfacher, mehrere kleine Teilsysteme zu untersuchen, als eine große Konstruktion.
  8. Versuchen Sie herauszufinden, welcher Teil der Einrichtung dafür verantwortlich sein soll, daß Energie produziert wird. Stellen Sie sich die Frage, warum der Rest der Maschine überhaupt notwendig ist, wenn es der "magische Teil" allein auch täte.
  9. Vermeiden Sie Mathematik, solange es möglich ist. Warum sollte man die Mathematik bemühen, wenn schon das Prinzip einer Konstruktion nicht geht und der Mangel ohne Rechnerei offenkundig ist? Berechnungen auf der Basis fehlerhafter Voraussetzungen sind vollkommen unnütz.
  10. Verwenden Sie elementarmathematische Methoden, um zu verstehen, wie eine Apparatur funktionieren soll. Zum Beispiel sind graphische Methoden zum Ermitteln von Kraftvektoren oder von Proportionen absolut in Ordnung.
  11. Verwenden Sie das einfachste mathematische Modell, das sich für die Beschreibung eines Sachverhaltes eignet. Prüfen Sie Ihre Ergebnisse nach der Rechnung. Legen Sie Ihre Ergebnisse beiseite und prüfen Sie die Resultate nach ein paar Tagen erneut.
  12. Heben sie die schweren mathematischen Geschütze solange auf, bis Sie sie wirklich brauchen. Und wenn, dann überlegen Sie zweimal, bevor Sie Ihre Energie mit einem ungeeigneten Ansatz verpulvern.
  13. Fragen Sie andere um Rat, wenn Sie mal mit Ihrer Analyse steckenbleiben. Oft führt ein fremder Einfall oder eine gute Frage zu einem Lösungsweg.
  14. Nutzen Sie Bibliotheken und gute Internet-Wissensquellen. Lesen Sie! Und lernen Sie, lernen, lernen, lernen!
  15. Es wird immer Aufgaben geben, die Sie mit Ihren Fähigkeiten und Ihrem Wissen nicht lösen können. Das liegt nicht etwa daran, daß Sie zu dumm wären, sondern an der einfachen Tatsache, daß niemand alle Wissenschaften und alles Wissen in seinem ganzen Leben erwerben kann. Die Suche nach Lösungen macht aus einer Wissenschaft Forschungsarbeit und schafft Arbeitsplätze für Ingenieure.
  16. Beschreiben Sie Ihre Ergebnisse auf einfache, unmißverständliche Art. Verwenden Sie Zeichnungen, um Ihre Resultate zu veranschaulichen. Sie werden erstaunt sein, wieviel Sie über Ihre Arbeitsweise lernen, wenn Sie ein Ergebnis für andere aufbereiten.
  17. Zögern Sie nicht, überflüssige Berechnungen und Diagramme wegzulassen. Die einfachste Darstellung ist die beste.
  18. Lassen Sie Ihre Ergebnisse von einem unabhängigen Fachmann prüfen.

Lassen Sie sich nicht von all' diesen Vorschlägen irritieren. Wenn Sie die Phrase "denke einfach!" memorieren und befolgen, dann sind die auf dem richtigen Weg. Verwenden Sie nicht mehr Raffinesse als unbedingt nötig! Machmal funktioniert eine Maschine wegen haarsträubend einfacher Ursachen nicht, wie z.B. diese hier:

   

Diese Rezirkulationsmühle kombiniert ein oberschlächtiges Wasserrad mit einer Pumpe, deren Bauart im Bergbau allgemein verbreitet war. Der Entwurf sieht plausibel aus, doch wenn wir den Wirkungsgrad des Wasserrades, des Getriebes und der Pumpe berücksichtigen, schließen wir, daß diese Maschine nicht lange laufen wird.1,2     Es gibt einen einfachen Grund, warum diese Maschine nicht funktionsfähig ist. Betrachten Sie die Laufrichtung der rotierenden Teile! Die Pumpe wird in umgekehrter Richtung betrieben, pumpt folglich das Wasser nach unten. Wir lernen, daß es sinnvoll ist, sich die Kinematik einer Maschine genauer anzusehen, bevor weitere Anstrengung verschwendet wird.

 Leistungsfluß

Es ist gelegentlich bequem, das gesamte zu analysierende System auf eine Betrachtung des Leistungsflusses und des Arbeitsmediums zu reduzieren.

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***image***

Geschlossene Kreisläufe können verwirrend sein, da nicht immer klar ist, wie die Rückkopplung auf das Gesamtverhalten wirkt. Wollen wir den Wirkungsgrad eines geschlossenen Kreislaufes ermitteln, ist es am einfachsten, den Kreis an einer geeigneten Stelle zu öffnen und den Leistungsfluß in einem gestreckten Pfad zu untersuchen. Da der Wirkungsgrad der einzelnen Komponenten oder Baugruppen einer Einrichtung multiplikativ auf die nachfolgende Baugruppe wirkt, muß in der gesamten Einrichtung zwangsweise mindestens ein Teil einen Wirkungsgrad über 100% haben. Sobald dieser identifiziert ist, kann sich die Analyse auf ihn konzentrieren.


Anmerkungen:

1. Ord-Hume schreibt diese Maschine Robert Fludd zu, doch der Stil der Maschinenelemente läßt auf das 19. Jhdt. schließen.

2. Eine genauere Recherche erbrachte folgendes Ergebnis: Die Zeichnung stammt tatsächlich nicht aus Fludd's Buch. Sie läßt sich bis Daul, Perpetuum mobile (1900) zurückverfolgen. Die ähnliche Originalzeichnung aus dem Tractatus secundus (1618) findet sich im Kapitel Konzepte III. Die häufig wiedergegebene Abbildung der Archimedischen Schraube konnte ich bislang durch das Studium der Fluddschen Originalquellen nicht auffinden.


Stand: 12.01.2004 /
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