Physikalische Methoden sind oft mit Mathematik belastet, und der Gesamteindruck
dieser Wissenschaft wirkt auf die meisten Leute abschreckend. Ähnlich
ist das mit den Ingenieurwissenschaften, da sich auch Ingenieure häufig
mathematischer Modelle bedienen, um die Tauglichkeit ihrer Konstruktionen
zu prüfen. Doch Wissenschaften sind keine Hexerei, sondern eher eine
Mischung aus gesundem Menschenverstand und formalen Methoden, wenn es nötig
ist.
Ein einfacher Ansatz
Wer kennt nicht die Enttäuschung, wenn man in ein
(Universitäts-)Lehrbuch schaut? Unter einer Flut von Formeln sind die
Fakten begraben, für die man sich interessiert. Ich verfolge hier einen
anderen Ansatz, der genaugenommen der natürliche sein sollte. Eine
Vorgehensweise zur Analyse einer - nicht notwendigerweise perpetuierlichen
- Maschine könnte so aussehen:
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Seien Sie nicht leichtgläubig, sondern skeptisch.
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Sammeln Sie die bekannten Fakten, wie Abmessungen und Gewicht, Annahmen und
Voraussetzungen. Was ist Tatsache, was Annahme, was ist Behauptung? Sind
die Daten für eine weitere Analyse ausreichend oder nicht?
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Prüfen Sie, ob die Annahmen plausibel sind. Sind die Daten in sich
schlüssig?
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Passen die Annahmen mit anderen bekannten Fakten zusammen? Gibt es
Vereinfachungen, die möglicherweise Einfluß auf die erwartete
oder behauptete Funktionsweise eines Konzeptes haben?
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Prüfen Sie, ob für die behauptete Funktionsweise bekannte physikalische
Prinzipien richtig verwendet wurden. Sind irgendwelche versteckten, aber
nicht genannten Annahmen gemacht worden? Gibt es Behauptungen, die Sie in
die Irre leiten könnten oder gar sollen?
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Im ersten Schritt dürfen, wenn möglich und sinnvoll, Reibung,
Kompressibilität von Flüssigkeiten und relativistische Effekte
ignoriert werden. Die klassische Physik erzielt mit diesen Vereinfachungen
brauchbare Ergebnisse.
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Zergliedern Sie die gesamte Konstruktion in überschaubare Teile. Es
ist deutlich einfacher, mehrere kleine Teilsysteme zu untersuchen, als eine
große Konstruktion.
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Versuchen Sie herauszufinden, welcher Teil der Einrichtung dafür
verantwortlich sein soll, daß Energie produziert wird. Stellen Sie
sich die Frage, warum der Rest der Maschine überhaupt notwendig ist,
wenn es der "magische Teil" allein auch täte.
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Vermeiden Sie Mathematik, solange es möglich ist. Warum sollte man die
Mathematik bemühen, wenn schon das Prinzip einer Konstruktion nicht
geht und der Mangel ohne Rechnerei offenkundig ist? Berechnungen auf der
Basis fehlerhafter Voraussetzungen sind vollkommen unnütz.
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Verwenden Sie elementarmathematische Methoden, um zu verstehen, wie eine
Apparatur funktionieren soll. Zum Beispiel sind graphische Methoden zum Ermitteln
von Kraftvektoren oder von Proportionen absolut in Ordnung.
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Verwenden Sie das einfachste mathematische Modell, das sich für die
Beschreibung eines Sachverhaltes eignet. Prüfen Sie Ihre Ergebnisse
nach der Rechnung. Legen Sie Ihre Ergebnisse beiseite und prüfen Sie
die Resultate nach ein paar Tagen erneut.
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Heben sie die schweren mathematischen Geschütze solange auf, bis Sie
sie wirklich brauchen. Und wenn, dann überlegen Sie zweimal, bevor Sie
Ihre Energie mit einem ungeeigneten Ansatz verpulvern.
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Fragen Sie andere um Rat, wenn Sie mal mit Ihrer Analyse steckenbleiben.
Oft führt ein fremder Einfall oder eine gute Frage zu einem
Lösungsweg.
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Nutzen Sie Bibliotheken und gute Internet-Wissensquellen. Lesen Sie! Und
lernen Sie, lernen, lernen, lernen!
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Es wird immer Aufgaben geben, die Sie mit Ihren Fähigkeiten und Ihrem
Wissen nicht lösen können. Das liegt nicht etwa daran, daß
Sie zu dumm wären, sondern an der einfachen Tatsache, daß niemand
alle Wissenschaften und alles Wissen in seinem ganzen Leben erwerben kann.
Die Suche nach Lösungen macht aus einer Wissenschaft Forschungsarbeit
und schafft Arbeitsplätze für Ingenieure.
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Beschreiben Sie Ihre Ergebnisse auf einfache, unmißverständliche
Art. Verwenden Sie Zeichnungen, um Ihre Resultate zu veranschaulichen. Sie
werden erstaunt sein, wieviel Sie über Ihre Arbeitsweise lernen, wenn
Sie ein Ergebnis für andere aufbereiten.
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Zögern Sie nicht, überflüssige Berechnungen und Diagramme
wegzulassen. Die einfachste Darstellung ist die beste.
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Lassen Sie Ihre Ergebnisse von einem unabhängigen Fachmann prüfen.
Lassen Sie sich nicht von all' diesen Vorschlägen irritieren. Wenn Sie
die Phrase "denke einfach!" memorieren und befolgen, dann sind die auf dem
richtigen Weg. Verwenden Sie nicht mehr Raffinesse als unbedingt nötig!
Machmal funktioniert eine Maschine wegen haarsträubend einfacher Ursachen
nicht, wie z.B. diese hier:
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Diese Rezirkulationsmühle kombiniert ein oberschlächtiges Wasserrad
mit einer Pumpe, deren Bauart im Bergbau allgemein verbreitet war. Der Entwurf
sieht plausibel aus, doch wenn wir den Wirkungsgrad des Wasserrades, des
Getriebes und der Pumpe berücksichtigen, schließen wir, daß
diese Maschine nicht lange laufen
wird.1,2 |
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Es gibt einen einfachen Grund, warum diese Maschine nicht
funktionsfähig ist. Betrachten Sie die Laufrichtung der rotierenden
Teile! Die Pumpe wird in umgekehrter Richtung betrieben, pumpt folglich das
Wasser nach unten. Wir lernen, daß es sinnvoll ist, sich die Kinematik
einer Maschine genauer anzusehen, bevor weitere Anstrengung verschwendet
wird. |
Es ist gelegentlich bequem, das gesamte zu analysierende System auf eine
Betrachtung des Leistungsflusses und des Arbeitsmediums zu reduzieren.
yyy
***image***
Geschlossene Kreisläufe können verwirrend sein, da nicht immer
klar ist, wie die Rückkopplung auf das Gesamtverhalten wirkt. Wollen
wir den Wirkungsgrad eines geschlossenen Kreislaufes ermitteln, ist es am
einfachsten, den Kreis an einer geeigneten Stelle zu öffnen und den
Leistungsfluß in einem gestreckten Pfad zu untersuchen. Da der Wirkungsgrad
der einzelnen Komponenten oder Baugruppen einer Einrichtung multiplikativ
auf die nachfolgende Baugruppe wirkt, muß in der gesamten Einrichtung
zwangsweise mindestens ein Teil einen Wirkungsgrad über 100% haben.
Sobald dieser identifiziert ist, kann sich die Analyse auf ihn konzentrieren.
Anmerkungen:
1. Ord-Hume schreibt diese Maschine Robert
Fludd zu, doch der Stil der Maschinenelemente läßt auf das
19. Jhdt. schließen.
2. Eine genauere Recherche erbrachte folgendes
Ergebnis: Die Zeichnung stammt tatsächlich nicht aus Fludd's Buch. Sie
läßt sich bis Daul, Perpetuum mobile (1900)
zurückverfolgen. Die ähnliche Originalzeichnung aus dem Tractatus
secundus (1618) findet sich im Kapitel Konzepte III. Die häufig
wiedergegebene Abbildung der Archimedischen Schraube konnte ich bislang durch
das Studium der Fluddschen Originalquellen nicht auffinden.