Perpetuum Mobile - Konzepte II

Oft wird übersehen, daß ein Perpetuum Mobile nicht zwangsweise rein mechanischer Natur sein muß. Im Laufe der Zeit wurden viele andere Konzepte erdacht, die sich magnetische, hydraulische, elektrische oder andere Verfahren zunutze machen sollten.

Magnetische Perpetua Mobilia

Der erste überlieferte Entwurf eines magnetischen Perpetuum Mobilies datiert von 1269. Pierre de Maricourt (auch Petrus Peregrinus genannt) gibt ein rotierendes Gerät an, das sich die Anziehungskraft mehrerer, an der Peripherie angeordneter, Magnete zunutze macht.


Schema von Pierre de Maricourt

Aufgrund der Unkenntnis magnetischer Effekte, die zu jener Zeit noch wenig erforscht waren, schien dies ein plausibler Entwurf zu sein. Maricourt hebt jedoch hervor, daß es ihm nicht um eine nutzbringende Maschine gehe, sondern um das Verständnis, wie die Planeten auf ihren Bahnen gehalten werden. In diesem Sinne ist dieses Perpetuum Mobile als Gedankenmodell zu deuten. Pierre de Maricourt war der Ansicht, daß der Magnetstein nichts anderes sei als der von den Alchimisten gesuchte Stein der Weisen.

Das hinderte ihn nicht daran, festzustellen, daß sich kleine Eisendrähtchen auf der Oberfläche einer Kugel aus Magnetstein zu Linien ordneten, die den Längengraden eines Himmelsglobus entsprachen. Pierre beobachtete auch, daß sich Magnetsteine, wenn sie auf einem Brettchen schwimmend gelagert wurden, in Nord-Südrichtung einstellten. Nicht zuletzt fand er heraus, daß es zwei Arten von Magnetismus gibt, die er entsprechend der Ausrichtung zu den Himmelspolen ebenfalls als Pole bezeichnete. Er formulierte den Satz "Gleichnamige Pole stoßen sich ab, ungleichnamige ziehen sich an."

Bischof John Wilkins (1614-1672), Mitbegründer der Royal Society, beschrieb in seinem Buch Mathematical Magick or the wonders that may be performed by mechanical geometry ein magnetisches Perpetuum Mobile einfachster Bauart, das 1562 von Johannes Taisnierus vorgeschlagen wurde. Am oberen Ende einer Rampe wird ein Magnetstein befestigt, der eine Eisenkugel die Rampe hochzieht. Die Rampe hat eine Öffnung, sodaß die Eisenkugel kurz vor Erreichen des Magnetsteines nach unten fallen kann und auf einer zweiten Rampe wieder zum Ausgangspunkt zurückrollt.

Wilkins liefert auch gleich eine Begründung mit, warum dieser Apparat nicht funktionieren kann. Warum sollte die Eisenkugel kurz vor Erreichen des Magneten nach unten fallen und nicht ganz zum Magneten springen? Warum sollte die Kugel auf der unteren Rampe gegen die Kraft des Magneten bergab rollen, wenn sie doch auf der oberen Rampe vom Magneten angezogen wird? Woher weiß die Kugel, daß sie ihre Bewegungsrichtung am Fußende der Rampe umkehren muß?
Ganz so einfach ist die Sache aber nicht, wie eine eingehendere Analyse der an der Kugel angreifenden Kräfte zeigt. Selbstverständlich müssen Steigung der Rampe und die Art bzw. Anordnung des Magneten geeignet aufeinander abgestimmt werden. Und dann die Überraschung: diese Anordnung verletzt nicht das Ernegieerhaltungsprinzip - aber den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik! Doch davon später.


Versuchen Sie sich mal daran!
 m   Masse der Kugel 
 f1   angreifende Kraft des Magneten am unteren Ende der Rampe 
 f2   angreifende Kraft des Magneten am oberen Ende der Rampe 
 fH   Hangabtriebskraft der Kugel, |fH| < |f1| 
 fg   fg = m g Gewichtskraft der Kugel, |fg| < |f2| ; die Kugel 
 kann deswegen durch die Öffnung in der Rampe fallen
 

Eine modernere Variante wird 1922 von Prachar beschrieben. Hier zieht eine Anordnung von mehreren Magneten eine Eisenkugel in einer Rinne oder Röhre empor. Michal fügt hinzu: "...bei dem das Problem der Rückbewegung der Stahlkugel, die von zwei Reihen permanenter Magnete emporgezogen wird, vom Erfinder nicht gelöst wurde" (S.139)


Prachars Lösung mit Permanentmagneten
in wechselnder Anordnung

Die Existenz des SMOT zeigt, daß Bischof Wilkins' Idee und der Entwurf von 1922 auch für neuzeitliche Erfinder attraktiv sind.

    William Gilbert (24.5.1544-30.11.1603) war Hofarzt Elisabeth I. Gilbert äußerte erstmalig Gedanken zum Erdmagnetismus und behauptete richtig, daß die Kompaßnadel zum magnetischen Pol der Erde weist. Zu jener Zeit war die Forschung an magnetischen Effekten in vollem Gange, versprach man sich doch von magnetischen Wirkungen allerlei neue Erkenntnisse. Man war sich noch nicht der Ausbreitung der magnetischen Feldwirkung bewußt, und schreckliche Sagen wie die über den Schicksalsfelsen oder Magnetberg, der mit seiner gewaltigen Magnetkraft aus den Schiffsplanken die Nägel herauszieht, wenn man an ihm vorbeifährt, nährten die Hoffnung auf die perpetuierliche Maschine.
Gilbert lief nicht der Idee der immerwährenden Bewegung hinterher, im Gegenteil: In seinem Buch de Magnete bestreitet er die Funktionsfähigkeit einer solchen Apparatur (Cap. XXXV, p. 107).

Ein besonderes magnetisches Perpetuum Mobile möchte ich hervorheben. Gelegentlich finden sich in Cartoons oder physikalischen Unterhaltungen Zeichnungen wie diese, die zeigen, wie ein Magnet zum Antrieb eines Schiffes oder eines Straßenfahrzeuges dienen kann. Mir ist unbekannt, wann der Gedanke zum erstenmal aufkam oder ob jemals ernsthaft versucht wurde, eine solche Maschine zu bauen.


Das Magnetauto von H.-P. Gramatke

Die Jesuiten

Einige Jesuiten, unter ihnen als herausragendste Vertreter des siebzehnten Jhdts. Athanasius Kircher (2.5.1601-30.10.1680) und sein Schüler Caspar Schott (5.2.1608-22.5.1666) befaßten sich mit der Schaffung der ewigen Bewegung durch Menschenhand.

Athanasius Kircher untersuchte ebenso wie Gilbert die Wirkungen des Magnetsteins. Zur Ehrenrettung des Universalgenies Kircher (der auch kapitale Böcke schoß) sei erwähnt, daß er dem Perpetuum Mobile halbwegs kritisch gegenüberstand. Das hinderte ihn nicht, Entwürfe verschiedener Maschinen zu verfertigen. Ein Rad mit radial angeordneten Eisenspitzen sollte im Feld von vier Magneten rotieren. Rein technisch gesehen, ist dies eine Fortführung des Entwurfes, der von Pierre de Maricourt angegeben wurde. Doch auch Kircher brachte kein funktionierendes Perpetuum Mobile zustande.

In Schotts Werk Technica Curiosa von 1664 finden sich nicht nur Beschreibungen der seinerzeit brandaktuellen Versuche Otto von Guerickes, sondern auch zahlreiche Abbildungen, Beschreibungen und Erklärungen zu den damals erfundenen Perpetua Mobilia. Nicht alle dieser Werke sind funktionsfähig, meint Schott und gibt unter anderem das Beispiel einer entsetzlich komplizierten Maschine, die von Johann Joachim Becher erfunden wurde (Technica Curiosa, S.732). Der Kurfürst von Mainz, Hans Philipp von Schönborn, ließ 1660 sogar einen eigenen Turm errichten, um die Maschine aufzustellen und Betrieb halten zu können. Der ganze Aufwand diente zum Betrieb einer Uhr!

Der Erfinder der Maschine schloß nach vielen Jahren vergeblicher Arbeit sein Projekt mit den Worten:"Zehn Jahre bin ich auch mit dieser Narrethey umgegangen, viel Zeit, Geld und Reputation darüber verloren, doch darf ich ohne Ruhm zu melden, daß ich sagen kann, daß der Motus perpetuus unmöglich sei." (vgl. Michal, S.30).

Neben den beiden berühmtesten Jesuiten gab es andere, die der Suche nach der ewigen Bewegung verfallen waren:

In Schotts Technica Curiosa häufen sich die Verweise auf Ordensbrüder so, daß man zu glauben versucht ist, der perpetuierliche Virus hätte im siebzehnten Jahrhundert alle hellen Köpfe der Societas Jesu infiziert.

Hydraulische Perpetua Mobilia

Ein sehr einfaches Perpetuum Mobile besteht aus einem Rohr, das mit zwei Flüssigkeiten unterschiedlicher Dichte gefüllt ist. Das Ungleichgewicht soll ungleichen Auftrieb und dadurch eine Drehung des Rohres bewirken. Leider stellt sich unabhängig von der Dichte der beteiligten Flüssigkeiten ein Gleichgewichtszustand ein.


Zwei-Flüssigkeits-Perpetuum-Mobile

Noch einfacher ist der nächste Entwurf, der aus einem Holzrad besteht, das einseitig in einen Flüssigkeitstank getaucht wird. Der einseitige Auftrieb soll eine rechtsläufige Drehung des Rades bewirken. Der Erfinder war sich nicht bewußt, daß der Flüssigkeitsdruck und damit auch der Auftrieb nicht senkrecht nach oben wirken, sondern von allen Seiten senkrecht auf die Oberfläche des eingetauchten Objektes. Das Holzrad erwies sich als Perpetuum Stabile, was kaum überrascht:


Auftriebs-Perpetuum-Mobile

Denis Papin (22.8.1647 -23.1.1712), dem wir die ersten Dampfmaschinenentwürfe verdanken (ebenso wie den Druckkochtopf) schlug ein extrem einfaches, hydraulisches Perpetuum Mobile ohne bewegte mechanische Teile vor.

   

Verletzung des hydrostatischen Gleichgewichts

    Papin hätte es besser wissen müssen. Sein Landsmann Blaise Pascal (1623- 1662) gab eine Gerätschaft an, mit der der hydrostratische Druck gemessen werden konnte: den noch heute ihm zu Ehren so genannten Pascalschen Apparat. Versuche dieser Arte stellte jedoch Simon Stevin schon früher an. Vgl. Recknagel, Experimentalphysik S.68.

Spätere Erfinder versuchten sich an Auftriebs-Perpetua-Mobilia anderer Art. Immerhin übersah der Konstrukteur der nachstehenden Maschine nicht das hydrostatische Gleichgewicht in den beiden verschieden langen Röhren. Wie soll die Maschine arbeiten? In einem gewinkelten Rohr sind zwei Flüssigkeiten unterschiedlicher Dichte eingefüllt. Links Wasser, rechts Quecksiilber. Die umlaufenden Kugeln sind so leicht, daß sie in beiden Flüssigkeiten schwimmen. Eine einzelne Kugel steigt im linken Teil des Rohres auf, fällt heraus und treibt eine Arbeitsmaschine an. Danach fällt sie in das rechte Teilstück des Rohres. Dort ist bereits eine größere Anzahl Kugeln versammelt, die durch ihr Gewicht die unterste Kugel so tief unter die Oberfläche drücken, daß sie in den linken Teil des Rohres rutscht, wo sie wieder aufsteigen kann. Es ist gar nicht so einfach, den prinzipiellen Fehler dieser Maschine schlüssig zu erklären.


Ein nahezu funktionierendes hydraulisch-
mechanisches Perpetuum Mobile

William Congreve (20.5.1772-16.5.1828), der unter anderem die Rakete zu Gefechtszwecken auf das Schlachtfeld trug, konstruierte auf dem Papier ein Perpetuum Mobile, dessen Funktionsweise darauf beruht, daß sich Schwämme vollsaugen und wieder ausgedrückt werden. Congreve wollte sich das Kapillarprinzip zunutze machen, wie andere nach ihm.


Congreves Schwamm-Perpetuum-Mobile

Vittorio Zonca (1568?-15.11.1602) erdachte, basierend auf den Überlegungen Giambattista della Portas (1535-1615), ein Perpetuum Mobile, das sich die Wirkung des Saughebers zunutze machte. Saugheber funktionieren nur, wenn der Ablauf tiefer liegt, als die Ansaugöffnung. Diese Tatsache war in der Renaissance nicht bekannt bzw. vollständig erforscht. Was Wunder, wenn der aristotelische horror vacui als Erklärung für die Funktionsweise herhalten mußte, der das Saughebergerät plausibel erscheinen ließ.


Saugheber-Perpetuum-Mobile

Elektrische Perpetua Mobilia

Neben der Radium-Uhr wurden auch andere elektrische Maschinen erdacht. Eines der frühesten beruhte auf der Ladung zweier Zamboni-Elemente (eine Art galvanischer Batterie) oder Leydener Flaschen. Da die Ladung im Vergleich zu der Kapazität der als Kondensator dienenden Kugel am Pendel sehr groß ist, liefen diese Apparate sehr lange.

   
Elektrostatisches Perpetuum Mobile
Die galvanischen Elemente sind
in den Säulen verborgen
    Eine andere Ausführungsform mit einem Elektroskop. Diese hier wurde als nützliches und empfindliches Nachweisinstrument für Elektrizität sehr geschätzt. Es mußte lediglich dafür gesorgt werden, daß die Blättchen weit genug von den seitlichen Elektroden entfernt waren, um nicht selbsttätig zu oszillieren. Durch die Vorspannung genügten dann bereits kleine Ladungsmengen, um eine Reaktion des Elektroskopes hervorzurufen. Vgl. Recknagel, Experimentalphysik S.489.

Maschinen, die aus Akkumulator, Motor und Generator bestehen, wurden massenweise erfunden. Da elektrische und mechanische Energie ineinander überführbar sind, funktionierten diese Maschinen genauso gut wie ihre mechanischen Äquivalente, die Rezirkulationsmühlen. Was in den mechanischen Maschinen die Reibungsverluste, sind in den elektrischen Maschinen die unvermeidlichen Widerstands- und Wärmeverluste. Dieser Weg führte, wie viele andere, in die Irre. Doch diese Erkenntnis scheint nur bedingt verbreitet zu sein, wie das Beispiel von Don Martins Eck-Ring-Generator beweist.


Motor/Generator-Perpetuum Mobile
 M  Elektromotor
 G  Generator, von M angetrieben
 LS  Lade- und Kontrollelektronik 
 A  Akkumulator

weiter im Text


Prachar, F.:
Jak jsem hledal a nalezl perpetuum mobile
(wie ich das Perpetuum Mobile gesucht und gefunden habe)
Prag, 1922

Prachar war einer jener Perpetuum Mobile-Erfinder, der sein Buch auf eigene Kosten veröffentlichte. Neben dem Vorläufer des SMOT gibt er noch viele andere Maschinen an, die sich der Wirkung von Permanentmagneten bedienen. Doch auch Abwandlungen der klassischen arabischen Räder sind bei ihm beschrieben.


Stand: 06.01.2004 /
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