Frühe Rechengeräte

Die Anfänge


Wie die ersten Rechenhilfen aussahen und wann sie
erdacht wurden, wird vermutlich nie herausgefunden.

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Aus der Antike

Rechnen galt in der griechischen Antike als unwürdig - zumindest was das Zahlenrechnen betraf. Dieses wurde den Sklaven überlassen. Die Römer zur Zeit Christi Geburt allerdings waren pragmatischer: sie können wohl als Erfinder des Taschenrechners gelten. Um eine Gedächtnisstütze beim Zahlenrechnen zu haben, wurde der Abakus verwendet, ein handliches Gerät von der Größe einer halben Postkarte, das ohne weiteres auch in einer Gewandtasche mitgetragen werden konnte. Es bestand aus Metall. In mehreren Spalten waren Schlitze angebracht, in denen unverlierbar eingeniete Knöpfe liefen. Die Anordnung der Knöpfe repräsentierte die errechnete Zahl. Diese Rechenhilfe diente kaufmännischen Zwecken; rechts neben der Einerstelle waren noch zwei Spalten für Bruchteile der Währungseinheit vorgesehen. Bemerkenswert ist insbesondere, daß dem Abakus ein Stellenwertsystem zugrunde lag. Die Aufschreibung der Zahlen auf Notiztäfelchen oder auf dauerhafteren Schriftträgern erfolgte jedoch in den bekannten unhandlichen "römischen Ziffern".

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Der Abakus: Taschenrechner um 50 v. Chr. ca. 11,5 x 7 cm groß

Eine andere Art des Abakus war eine Platte mit aufgetragenen Linien, auf denen Zahlmarken oder Steinchen verschoben wurden. Die Römer nannten diese Steinchen "calculi"; unsere heutigen Begriffe wie Kalkül, Kalkulation leiten sich von diesem Wort her.

Man vermutet, daß der chinesische Abakus, der suan-pan, auf römische Rechenbretter zurückgeht. Vor den 12. Jhdt. nach Christus kann er nicht nachgewiesen werden. Im 16. Jhdt. gelangte er von China nach Japan (dort als soro-ban bezeichnet), wo er auch heute noch im Gebrauch ist. Bei beiden Bauarten ist ein Steg vorhanden, der die Kugeln mit der Wertigkeit "eins" von denen der Wertigkeit "fünf" trennt. Es gelten stets die Kugeln, die zum Steg geschoben sind. Der chinesische Abakus hat - im Gegensatz zum japanischen - je Spalte zwei Kugeln der Wertigkeit fünf. Dies gestattet das Rechnen mit "hängenden Überträgen", hat aber auch den Nachteil, schwieriger zu sein. Ein geübter Anwender des suan-pan oder soro-ban kann durchaus mit den Benutzer eines elektronischen Taschenrechners mithalten, zumindest, was die vier Grundrechenarten betrifft. Das Wurzelziehen dauert allerdings etwas länger.

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Suan-pan

Soroban

 Das Mittelalter

Das Mittelalter war nicht überall ganz so finster, wie man meinen könnte. Die Entwicklung des mechanischen Rechnens im Abendland lag brach; die Mathematik im Orient hingegen erzielte wesentliche Fortschritte.

Ptolemaios erfand 150 n.Chr. das Astrolabium, ein scheibenförmiges Gerät zur Ortsbestimmung von Gestirnen. In vielerlei Varianten ist es bis in Keplers Zeit hinein in Gebrauch. Indische und Arabische Astronomen und Mathematiker verwendeten es ebenfalls. Besonders aus diesen Kulturkreisen kommt die Erfindung der Zahlenschreibweise in Ziffern, die gemäß einem Stellenwertsystem angeordnet werden.

verschiedene Ziffernaufschreibungen

Dadurch, und durch die Einführung der Ziffer Null, sind erst die uns heute geläufigen Verfahren für die Grundrechenarten möglich geworden. Die Überlieferung und Systematisierung verdanken wir einem Araber: Muhammed ibn Musa Alchwarizmi (ca. 800 n.Chr.). Er verfaßte zwei mathematische Werke; eines davon ein Lehrbuch der Algebra (Aldschebr Walmukabala), das andere ein Rechenbuch. In der lateinischen Übersetzung beginnt es mit den Worten "Algoritmi dicit" - in etwa "Algorithmi sagt..." - und schon ist ein Begriff geboren, der heute in der Informatik und Mathematik eine zentrale Bedeutung hat: der Algorithmus. Alchwarizmi war in der Tat der Erste (uns bekannte, müssen wir einschränkend bemerken), der systematische Rechenverfahren zum Zahlenrechnen und zum Lösungen von Gleichungen angibt - Algorithmen eben. Hier sind die Techniken der Grundrechenarten beschrieben, und darüberhinaus, Verfahren zum Verdoppeln und Halbieren von Werten. Die Unterscheidung der Zahlenschreibweisen - zwischen der römischen und der arabischen - läßt sich ab dieser Zeit beobachten.

999 wurde Silvester II. von Otto III. auf den Stuhl Petri gerufen. Er war wohl einer der ersten, die im Abendland mit arabischen Ziffern rechneten. Er erlernte seine Rechenkunst bei Markgraf Borel von Barcelona. Die Einführung der arabischen Ziffern allerdings mißlang zunächst, denn dem Papst war das Zahlzeichen für die Null noch nicht bekannt.

China ging einen Weg, der die Dezimale Stellenwertschreibweise knapp vefehlte, obwohl die Grundidee vorhanden ist. Japani übernahm im 6. Jahrhundert die chinesische Schrift und damit auch die Zahlzeichen. Die ursprüngliche Schreibweise kennt kein Zeichen für "Null".

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Im Stellenwertsystem konnten Zahlen, die an manchen Positionen unbesetzte Stellen (=Null) hatten, so nicht geschrieben werden. Der römische Abakus ließ solche jedoch ohne weiteres zu. Doch der Erfolg des dezimalen Zahlensystems in Ziffernschreibweise stellte sich erst Anfang des 13. Jahrhunderts ein. Im "liber abaci" beschreibt Leonardo Fibonacci aus Pisa die Zahlzeichen der Inder und die Null, arabisch "al-sifr" genannt. Von diesem Begriff leitet sich "cifra" (vgl. Ziffer) ab, ein Wort, das noch bei Gauß die Bedeutung "Null" hatte.

Das Mittelalter ist vorbei, aber wie sieht es zu Zeiten eines Christoph Kolumbus aus?

Wenngleich sich das Rechnen mit den arabischen Ziffern langsam verbreitete, gab es dennoch ernsthafte Auseinandersetzungen zwischen den Abakus-Rechnern und den Anhängern des Ziffernrechnens. Adam Riese (*1492- 1559) lehrte in seinen sprichwörtlich gewordenen Büchern sowohl das eine wie auch das andere Verfahren: Das "Rechnen auf der Linie" und das "Rechnen auf der Feder". Zum Rechnen auf der Linie wurde ein sogenannter Rechenteppich verwendet, auf dem die Rechenpfennige verschoben wurden - eine Art zusammenrollbarer Abakus also.

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Wettstreit zwischen Akakus und Rechnen auf der Feder

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 Shakespeares Zeit

Ende des 16. Jahrhunderts: William Shakespeare ist auf dem Gipfel seines Ruhmes. Einem seiner Zeitgenossen, John Napier (*1550- 1617), Lord of Merchiston, Mathematiker, verdanken wir die Erfindung der sogenannten Rechenstäbchen - und, weit wichtiger - die Logarithmen. Die Rechenstäbchen dienen zur Vereinfachung des Multiplizierens mit Zahlen. So funktionieren sie:

Ein Satz Rechenstäbchen besteht aus 12 Holzstäbchen, 11 davon mit quadratischem Querschnitt. Ein Stäbchen wird als Leitstab bezeichnet; er trägt die Ziffern I bis IX. Die anderen Stäbchen erhalten auf ihrer Oberseite Multiplikationstabellen für die Ziffern 0 bis 9. Ein flacher Stab enthält die ersten 9 Quadratzahlen. Zum Multiplizieren geht man wie folgt vor: Man legt rechts vom Leitstab die Stäbchen an, deren oberste Ziffer der jeweiligen Ziffer des einen Faktors entspricht. Der Leitstab (Ziffer = Ziffer des zweiten Faktors) gibt die Zeile vor, in der abgelesen wird. Schräg gegenüberliegende Werte werden zusammenaddiert und ergeben jeweils eine Ziffer des Ergebnisses. Der Übertrag (maximal 1) wird der nächsten, links davon stehenden Ziffer zugeschlagen. Ein Beispiel: 7 * 567

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Ein Rechenbeispiel mit Napier's Bones

Die Logarithmen brachten Napier in gewisser Weise um den Erfolg der Rechenstäbchen: Da sich Multiplikationen und Divisionen auf das Addieren von Logarithmen zurückführen lassen, konnte ein einfaches Rechengerät konstriert werden - der Rechenstab (vulgo Rechenschieber). In vielen Abwandlungen war er bis in die achtziger Jahre unseres Jahrhunderts im Gebrauch. Seine Verwendung erfordert etwas Geschick und Übung im Kopfrechen; seine Genauigkeit betrug für gewöhnlich 3 Dezimalstellen. In den technischen und ingenieurmäßigen Anwendungen stellte dies relativ selten eine große Einschränkung dar.

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Ein Standerd-Rechenstab um 1970

Der Rechenstab ist auch unter einem anderen Aspekt für die Geschichte der Rechengeräte bedeutsam. Es handelt sich bei ihm um ein sogenanntes analoges Rechengerät. Analog heißt: die zu bearbeitenden Werte werden durch eine - hier mechanische - Analogie repräsentiert, innerhalb dieser Analogie verarbeitet und anschließend wieder zurück-"übersetzt". Napiers Rechenstäbchen hingegen sind der Ansatz zu einer digitalen Rechenapparatur. Wir werden im nächsten Absatz von einer solchen Maschine erfahren.

Logarithmentafeln wurden mit größerer Genauigkeit angefertigt. Napier und Jost Bürgi erstellten die ersten Tafeln mit 5, 7 und 9 stelligen Numeri. Große Bedeutung erlangte das Rechnen mit den Logarithmen dadurch, daß sich die Multiplikation auf die Addition und das Potenzieren auf das Multiplizieren vereinfachen ließen. Das Errechnen der Logarithmentafeln selbst war hingegen ein mühsames Unterfangen, da den Mathematikern die Theorie der Reihenentwicklungen noch unbekannt war. Die Logarithmen mußten über Quadratwurzeln angenähert werden:

Hier Beispiel für Berechnung

 Wilhelm Schickard

Wir schreiben das Jahr 1623. Napier und Shakespeare sind keine zehn Jahre tot. In Deutschland tobt der dreißigjährige Krieg. Johannes Kepler berechnet Planetenbahnen und astronomische Tafeln, basierend auf Zahlenmaterial seines Lehrers Tycho de Brahe (dessen Beobachtungen für die damalige Zeit ungewöhlich präzise waren, insbesondere wenn man bedenkt, daß ihm für seine Messungen keine Fernrohre zur Verfügung standen). Die Rechnerei ist beschwerlich - aber ein Freund Keplers, Wilhelm Schickard (*1592- 1635), weiß Rat. In einem Brief an Kepler beschreibt er ein Rechengerät zum Addieren und Multiplizieren. Zum Multiplizieren verwendet Schickard die Napierschen Rechenstäbchen, als Kolonnen auf zylindrische Walzen aufgetragen. Ein Blendenmechanismus deckt die unbenutzten Zeilen ab und gibt die benötigte frei. Die multiplizierten Werte müssen abgelesen und von Hand in ein Addierwerk übertragen werden. Die Kepler zugedachte Maschine erreichte ihren Empfänger nie: sie ging in den Wirren des Krieges unter; Schickard und seine Familie starben an der Pest. Erst Mitte unseres Jahrhunderts wurden die Briefe Schickards und die Zeichnungen seiner Rechenmaschine wiederentdeckt.

Bild über den schematischen Aufbau der Rechenmaschine

Die Bedeutung der Rechenmaschine von Schickard liegt darin, daß sie erstmals die Rechenoperation des Addierens (bzw. Subtrahierens) auf digitalem Wege bewältigt. Der Addition erfolgt mittels eines Zahnrädergetriebes; anders als beim analogen Rechenstab ist die Verwendung von Bruchteilen des Ganzen nicht mehr möglich. Die Rechenmaschine Schickards rechnet mit ganzen Zahlen.

Die Idee, Napiers Rechenstäbchen auf Trommeln aufzutragen und so die Handhabung einfacher und universeller zu gestalten, wurde im siebzehnten Jahrhundert mehrfach publiziert und umgesetzt. So berichtet z.B. Caspar Schott von einem solchen Rechengerät.

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Die mathematische Orgel von Caspar Schott (), beschrieben in yyy ...und eine Rekonstruktion aus dem Jahr 2004. Hier finden Sie die Bauanleitung dazu.

 Die Sache mit den Steuern

Denn es ist ausgezeichneterMenschen unwürdig, gleich Sklaven Stunden zu verlieren mit Berechnungen.
Leibniz

Paris bleibt vom dreißigjährigen Krieg weitgehend verschont. Als Schickard seine Maschine beschreibt, wird Blaise Pascal (*1623- 1662) geboren. Als Neunzehnjähriger führt er dem staunenden Publikum am Luxemburgischen Hof eine Rechenmaschine vor. Multiplizieren kann die Maschine nicht, Subtraktionen müssen über Komplement-Addition bewältigt werden. Pascal läßt mehrere Maschinen bauen und kann sie - trotz ihrer aufwendigen und unsicher arbeitenden Mechanik - teuer verkaufen. Die beiden letzten Stellen der Rechenmaschine sind nicht dezimal geteilt, sondern auf 20 und 12, entsprechend des Wertes eines Livre, der in 20 Sols zu je 12 Deniers geteilt war. Wieder ist der Einfluß des kaufmännischen Rechnens zu spüren (vgl. römischen Abakus). Pascals Vater war Verwaltungsbeamter, genauer gesagt: er zog Steuern ein. Die Arbeit war einträglich, aber mühsam, so daß der junge Pascal zur Übernahme der Arbeiten seine Maschine konstruierte. Pascals Gerät ist die erste anwendungsorientierte Rechenmaschine.

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Ein wohlbekanntes und weit verbreitetes Bild von Pascals Rechenmaschine. Der Zeichner hat hier einen Fehler versteckt, vermutlich unabsichtlich1

Gottfried Wilhelm Leibniz (*1646- 1716) befaßte sich in Deutschland - unabhängig von Pascal - mit dem Gedanken, Rechenoperationen zu mechanisieren. 1671 schreibt Leibniz in einem Brief: "... eine Machine, so ich eine Lebendige Rechenbank nenne, dieweil dadurch zu wege gebracht wird, daß alle zahlen sich selbst rechnen, addiren subtrahiren multipliziren dividiren ..." 1 . Von Anfang an plant Leibniz eine Vierspezies-Rechenmaschine, ein Vorhaben, das angesichts der mechanischen Technik seiner Zeit kühn genannt werden darf. Im März des Folgejahres kommt er nach Paris und lernt die Pascalsche Maschine kennen. Leibniz läßt sich inspirieren - auch von mechanischen Zählwerken, die zu jener Zeit bereits als Wegmesser oder Schrittzähler im Gebrauch waren. Nach vielen Überlegungen führt er am 1. Februar 1673 ein Holzmodell seiner Maschine auf einer Sitzung der Royal Society vor. Man ist begeistert - so sehr, daß Leibniz unmittelbar in die Royal Society aufgenommen wird.

Auf Leibniz geht die Erfindung der Staffelwalze zurück, die sicheres Addieren, und - durch wiederholtes Addieren - auch das Multiplizieren erlaubt. Leibniz selbst investierte bis zu seinem Tode immense Summen in die Vervollkommnung seiner Rechenmaschine. Zeichnungen, abgesehen von einer Außenansicht und der Gebrauchsanleitung, wurden nicht veröffentlicht; wohl um Nachahmungen zu verhindern.

Leibniz ist auch jener, auf den das Rechnen mit Null und Eins, also der Binärdarstellung zurückgeht. Seine große Idee blieb aber, da er von ihr wenig Aufhebens machte, lange im Verborgenen. Systematische Untersuchungen zu dieser für die maschinelle Rechentechnik (Digitalcomputer!) wichtigen Struktur führte erst George Boole (*1815- 1864) durch. Die Grundlagen der booleschen Algebra und der formal betrachteten Aussagenlogik werden hier gelegt.


Anmerkungen:

1. Beachten Sie den Untgerschied in den Zifferntrommeln. Die eine ist im Neuner-, die andere im Zehner-Komplement ausgeführt.


Stand: 23.01.2004 /
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