Geschichte der Roboter

Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister,
Werd ich nun nicht los.

Goethe: Der Zauberlehrling

Die Geschichte einer Maschinenart, die von vielen nicht emotionslos gesehen wird. Roboter bedrohen Arbeitsplätze, Maschinenmensch, Angriff der Roboter - so lauten nicht gerade selten Schagworte und Zeitungsüberschriften. Gehen wir dem Phänomen Roboter auf den Grund und versuchen wir eine Erklärung, was die Ursachen der Faszination und der Ängste sind, die der Begriff auszulösen vermag.

Bereits bei der Sichtung des Materials zeichnete sich ab, daß nicht die Technikgeschichte des modernen Industrieroboters im Vordergrund stehen wird, sondern die kulturhistorisch-literarische Betrachtung

Roboter: Versuch einer Begriffsabgrenzung

Auf den 1920 von Karel Capek verfaßten Schauspiel RUR geht der Begriff Roboter zurück. Robota, das heißt auf tschechisch arbeiten. Ein Roboter ist also ein Arbeiter. Offenbar einer, dem man lästige, eintönige, harte, mühsame, gefährliche körperliche Tätigkeit aufbürdet. Ein Roboter kann Menschengestalt haben, muß aber nicht. Die heute in der technischen Fertigung eingesetzten Roboter sind eher "Handlanger" als komplette Individuen. Der Roboter unterscheidet sich von einem gewöhnlichen Werkzeug oder einer einfachen Maschine durch eine Bandbreite in den Handlungsmöglichkeiten und eine gewisse Autonomie, Entscheidungen anhand eines Satzes von Regeln zu treffen. Sklaven der Antike kamen dem Konzept ziemlich nahe. Mit zwei Ausnahmen: Roboter sind künstlich erschaffene Wesen und sie planen zumindest bislang kein Aufstände.

Die Deutsche Norm DIN yyy definiert den Roboter:yyy:

Richard P. Paul schreibt in seiner Einleitung des Buches Robot Manipulators: "yyy"

Ich halte diese Definitionen für ergänzungsbedürftig. Beim Begriff Roboter fallen mir spontan folgende Assoziationen ein:

Der Roboter als generelles Konzept ist etwas anderes als ein konkretes Gerät. Roboter in Menschengestalt? Dieses Bild schießt fast jedem durch den Kopf. Es gab und gibt jedoch auch mechanische Automaten, die sich gewissen Tierformen annähern, sei es des Effektes wegen oder aus Gründen der Zweckmäßigkeit. Was sind minimale Kriterien, um einen Mechanismus oder ein organisches Wesen als Roboter zu bezeichnen?

In der älteren Literatur werden Mechanismen wie der Wattsche Regulator als einfache Roboter bezeichnet. Ich sträube mich gegen diese Darstellungsweise. Der Regulator ist zu spezialisiert, er hat keinerlei Entscheidungspotential. Er ist nicht in der Lage, festzustellen, daß er die zu regelnde Maschine zu Schwingungen anregt, und deshalb seinen Regelalgorithmus adaptiv zu ändern. Ebensowenig, wie eine Schraube eine Maschine ist, ist ein Regulator ein Roboter.

Antike

Bewegliche Statuen des Dædalus.

Archytas von Tarent beschrieb um ca. 375 v.Chr. einen mechanischen Vogel, der mit den Flügeln schlagen und vielleicht sogar fliegen konnte. Berühmt wurde Heron von Alexandria durch seine mechanischen Tempel- und Theaterautomaten. Gläubige und Leichtgläubige waren beeindruckt und gar mancher mag vermutet haben, bei diesen Effekten ginge es mit Magie zu.

Vitruv, Archimedes,

 Beginn eines Mythos

Humanoide Mechanismen, Homunculi und Golem, Frankenstein.

 Mittelalter

Das Mittelalter war eine Zeit technischer Stagnation, in der kaum das Vorhandene bewahrt, geschweige denn Neues erschaffen wurde. Erst als die Zeit der großen Kathedralen begann, regte sich wieder der Erfindungsgeist. Von Villard de Honnecourt ist ein Notizheft, das sog. Bauhüttenbuch (ca. 1245) überliefert. Dort findet sich die Zeichnung eines mechanischen Adlers, der auf einer Kirchenkanzel plaziert werden sollte. Durch einen verborgenen Mechnismus konnte von außen der Kopf gedreht werden. Hier geht es ganz klar um einen Effekt, der nicht autonom vom Apparat ausgeführt wurde, sondern menschlichen Eingriff erforderte. Erste Automaten und bewegliche Figuren kamen mit der Entwicklung der Räderuhr wieder auf. Große Schauuhren an Kirchen und Rathäusern demonstrierten nicht nur Macht, sondern boten dem Betrachter ein Schauspiel zur Ergötzung und zum Nachdenken. Im Kleinen fand sich auf Tisch- und Wanduhren ein Knochenmann mit Stundenglas und Hippe, der den Menschen an die Vergänglichkeit des Seins mahnte. Mechanismen wie diese sind nicht als Roboter zu bezeichnen, doch sie stellen eine wichtige Vorstufe dar.

Der Automat des Albertus Magnus.
Es wird berichtet, Thomas von Aquin, der Schüler des Albertus Magnus, hätte den Automatenkopf zerstört, da er an Hexerei glaubte.

 Kirchliches und Alchimistisches

   Die Frau wurde bekanntlich aus der Rippe Adams erschaffen. Rippen haben keine Seele, folglich auch Frauen nicht. Die katholischen Theologen disputierten lang, ob Frauen überhaupt Menschen sind. Tiere haben keine Seele. Schwarze und Indianer ebenfalls nicht, denn sie sind eher Tiere als Menschen. Ein solches Bild der Schöpfung erleichterte naturgemäß den Kampf gegen Ungläubige, Andersdenkende oder Völker, die das Pech hatten, die falsche Hautfarbe zu haben. Das aristotelische Bild der Wissenschaft wurde durch Thomas von Aquin zum Dogma, was bewirkte, daß alles, was nicht ins Konzept paßte, entweder als Hexerei oder Ketzertum verfolgt werden konnte.

In einem solchen Umfeld war es schwierig, echte Forscher von Scharlatanen zu unterscheiden. Die Alchimie konnte unter solchen Umständen nur blühen, trotz des Risikos, mit der Erschöpfung des Homunculus dem Erschaffer der Welt ins Handwerk zu pfuschen. Der Gedanke wird erstmalig bei Paracelsus vorgebracht.

Nun ist aber auch die generation der homunculi in keinem weg zu vergessen, dan ist etwas daran, wiewol solches bisher in großer heimlikeit und gar verborgen ist gehalten worden und nit ein kleiner zweifel und frag under etlichen der alten philosophis gewesen, ob auch der natur und kunst möglich sei, das ein mensch außerthalben weiblichen leibs und einer naturlichen muter möge geboren werden? darauf gib ich die antwort das es der kunst spagirica und der natur in keinem weg zuwider, sondern gar wol möglich sei, wie aber solches zugang und geschehen möge, ist nun sein proceß also, nemlich das der sperma eines mans in verschloßnen cucurbiten per se mit der höchsten putrefactio, ventre equino, putreficirt werde auf 40 tag oder so lang bis er lebendig werde ... nach solcher zeit wird etlicher maß einem menschen gleich sehen, durch durchsichtig on ein corpus, so er nun nach disem teglich mit dem arcano sanguinis humani gar weislich gespeiset und erneret wird bis auf 40 wochen ... und wird ein recht lebendig menschlich kint daraus mit allen glitmaßen wie ein der kint ... doch vil kleiner. dasselbig wir ein homunculum nennen ... das ist nun der aller höchsten und größesten heimlikeiten eine, die got den tötlichen und sündigen menschen hat wissen lassen. dan es ist ein mirakel und magnale dei und ein geheimnis uber alle geheimnus, sol auch bilich ein geheimnus bleiben bis zu den aler lesten zeiten, die dan nichts verborgen wird bleiben sonder alles offenbaret werden.
(Gebelein, Die Alchime, S. 58-59, nach Paracelsus: De Natura Rerum)

Paracelsus beschreibt jedoch nicht ein bereits durchgeführtes Rezept, sondern die potentielle Möglichkeit, denn er will aus ethischen Gründen den Vorgang nicht durchführen.

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Der Homunculus

Entscheidend an der Idee des Homunculus ist, daß er künstlich erzeugt werden sollte; er ist ein geplantes Retortenwesen. Darstellungen in der alchimistischen Literatur zeigen, wie er im philosophischen Ei heranreift. Der Homunculus ist, obwohl ein Wesen aus Fleisch und Blut, nicht durch Zeugung entstanden und deshalb auch frei von der Ursünde. Wozu er allerdings gut sein sollte, wenn seine Erschaffung gelungen wäre, das ist wiederum eine ganz andere Frage.

 Renaissance

Von Leonardo da Vinci wird berichtet, er habe am Hofe der yyy eine mechanischen Löwen eigener Konstruktion vorgeführt.

 Vom Barock zur viktorianischen Zeit

Automaten von Droz.

Der Mechanikus Vaucason (1709-1782) erschuf um 1738 eine automatische Ente, die beweglich war, schnatterte, fraß und verdaute. Ein Automat mit einer solchen Bandbreite von mechanisch simulierten Verhaltensweisen war bis dahin nicht gebaut worden. Er zeigte sehr unmittelbar, auf welcher Höhe das handwerkliche Geschick seines Erbauers war. Dennoch zögern wir, diesen Automaten als Roboter anzusehen, da ihm das Element der Entscheidungsautonomie fehlt.

Der Uhrmacher Maelzel, dem die Musik das Metronom verdankt, erschuf einen mechanischen Trompeter

Der Trompeter ist ein menschengroßes Metallgestell, das eine Walzenwerk enthält. Bekleidet mit einer Landsknechtsuniform, Künstlichen Händen und einem wächsernen Kopf täuscht er den flüchtigen Blick einen Menschen vor. Der Automat, der heute im Deutschen Museum zu München besichtigt werden kann, ist zwar faszinierend, aber der Schrecken, den er angeblich bei den Feindes des Königs einflößte, vermag man heute nicht mehr nachzuvollziehen.

Von Kempelen erbaute einen Schachautomaten, der öffentlich gegen versierte Gegner spielte. Der Automat hatte die Gestalt eines an einem Tisch sitzenden Türken, der die Figuren mit der Hand zog. Vor dem Spiel wurden die Türen des tischartigen Unterbaus geöffnet, um den Mechanismus zu demonstrieren. Außerdem sollte klargemacht werden, daß kein Mensch in dem Appart verborgen sei, sondern das Spiel von der Maschine bestritten wurde. Nach dem Tode von Kempelens übernahm Maelzel den Automaten und fuhr mit ihm durch die Lande. Edgar Allen Poe hate 1835 Gelegenheit, den Apparat zu sehen und widmete diesem Gerät die Geschichte Maelzels Schachspieler, in der er eingehend den Apparat analysiert und zum Schluß kam, daß es sich um Täuschung handelte.


Maelzels Schachspieler. Aus Freiherr von Racknitz, Tafel I.

Der Apparat erlitt ein wechselvolles Schicksal, bis er in der Bodenkammer eines Bostoner Museums landete. Bei einm Brand wurde der Automat zerstört. Das Heinz-Nixdorf-Museum in Paderborn wird ganz aktuell eine funktionsfähige Rekonstruktion in ihren Ausstellungsräumen zeigen.

Eine neue Perspektive brachte Mary Wollstoncraft Shelley (1797-1851) auf, als sie 1818 ihren Roman Frankenstein, or the Modern Prometheus schrieb. Der Arzt Frankenstein will Leben erschaffen und bedient sich zusammengesuchter menschlicher Einzelteile dubioser Herkunft, die er zu einem Wesen zusammenfügt. Das Wesen wird erfolgreich zum Leben erweckt. Es beginnt, über Sinn- und Seinsfragen nachzudenken. Dieser Aspekt ist neu. Das Wesen (heute gemeinhin Frankensteins Monster oder gar Frankenstein genannt) beginnt gefährlich zu werden, als es sich seiner selbst, seines Bewußseins gewärtig wird.

Man beachte, daß das Wesen namenlos ist. Ein Name verleiht Individualität. Was jedem Hund und manchem technischen Apparat ("Puffing Billy", "Rosti") zugestanden wird, bleibt dem Geschöpf Frankensteins verwehrt. Wie wirksam dies ist, zeigt sich daran, daß auch heute noch das Produkt irrigerweise mit dem Namen seines Schöpfers identifiziert wird.

Mich erstaunt an dieser Geschichte: Irgendein Mensch mußte zwangsweise der Lieferant des Gehirns gewesen sein, doch das Wesen hat keinerlei Erinnerung an sein früheres Leben. Hatte Mary Shelley Scheu davor, die durch den Tod entflohene Seele ins irdische Dasein zurückzuholen? Howard Phillips Lovecraft hatte 1922 keine Skrupel, in seiner Geschichte Herbert West, der Wiedererwecker, genau diesen Aspekt zum Ziel des mad scientist zu machen. Herbert Wests Arbeitsergebnisse sind keine synthetischen Menschen, sondern reanimierte Wesen aus Fleisch und Blut, die unseligerweise nicht mehr frisch genug sind, um nach der Wiedererweckung wirklich menschlich zu sein. Die Motivation Lovecrafts ist anders geartet, als die Shelleys. Shelley schrieb ein Psychogramm, Lovecraft eine Horrorgeschichte.

   Zwei exzellente Wegweiser durch die Legenden und Erzählungen, die von künstlichen Menschen, Androiden und Homunculi handeln, sind die leider schon lang vergriffenen Werke Völker, Künstliche Menschen und Drux, Menschen aus Menschen Hand.
  

 Physikalisch-Mathematisches Denken

Mit Galilei und Newton begann die Zeit der methodischen Physik, die ihre Theorien und Ergebnisse mittels mathematischer Modelle beschrieb. Das Verhalten noch unerforschter Phänomene konnte zumindest im Rahmen des Möglichen durch eine entsprechende Extrapolation der Modelle errechnet werden. Diese Modellbildung erwies sich als nützlich und sehr erfolgreich. Schon lange sind Modelle dieser Art die verläßliche Basis ingenieurtechnischen Arbeitens. Pierre Simon de Laplace, Physiker und Mathematiker, konnte 17yy die These aufstellen, daß wenn jedes Teilchen nach Ort und Geschwindigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt bekannt wäre, sowohl Zukunft als auch Vergangenheit des Universums mit mathematischer Methodik berechenbar seien. Dieses Weltbild spiegelt folgende Aspekte wieder:

Die Ansichten des Herrn Laplace prägten das moderne Verständnis, die Wirklichkeit sei formal vollständig beschreibbar, sehr stark. Physik und Himmelsmechanik erzielten glänzende Ergebnisse und bestätigten laufend die mathematisch-deterministische Denkart. Der Planet Neptun wurde am Schreibtisch entdeckt, nicht am Fernrohr. Auch wenn die junge Theorie der Thermodynamik sich statistischer Methoden bediente, so wurden ihre Ergebnisse als ebenso deterministisch (mit genau angebbaren Unsicherheitsfaktoren) angesehen, wie die streng kausalen der klassischen Mechanik. Um 1890 herum änderte sich dies, als Henri Poincaré gerade bei der rechnerischen Bearbeitung himmelsmechanischer Phänomene auf chaotische Systeme stieß. Poincaré hatte noch nicht die Möglichkeit, Systeme dieser Art zu simulieren und ihr Verhalten darzustellen. Das wurde erst durch die moderne Computertechnik ermöglicht. Doch Poincaré wußte, daß er die Tür zu einem neuen mathematischen Universum geöffnet hatte. Plancks Quantentheorie leistete ein Übriges. Plötzlich war die Welt nicht mehr deterministisch. Einstein wehrte sich zeitlebens gegen die Quantenmechanik: "Gott würfelt nicht!"

Die Quantentheorie sprengte auf einen Schlag die These Laplaces. Man hat sich mittlerweile auch in der makroskopischen Dimension mit Nichtdeterminismen abgefunden. Die Chaostheorie ist inzwischen ein eigener Forschungszweig der informatisch-mathematischen Wissenschaft. Viele, bislang nur unzureichend erklärbare Phänomene können mit der Chaostheorie befriedigend beschrieben werden. Man beachte: Beschreiben heißt nicht Erklären!

 Zoologische Thesen und Erkenntnise

Julien Offray de La Mettrie () hatte den Zeitgeist der Aufklärung auf seiner Seite, als er 1748 anonym in Leyden seine Abhandlung L'homme machine ("Der Mensch - eine Maschine") erscheinen ließ. Menschen und Tiere als komplizierte Maschinen deutete. Tiere, so seine These, sind reflexgesteuert, haben keine Intelligenz, keine Seele, sondern lediglich noch unvollständig erforschte Verhaltensmuster. Der Aufschrei einer Katze, wenn man sie tritt, ist eine mechanische Reaktion; es scheint, als ob die Katze leidet, aber sie sie folgt nur einem Schema.

Charles Darwin () formulierte seine Evolutionstheorie und legte damit auch das Fundament, das nun, viele Jahre später in der Datenverarbeitung zu Optimierungsverfahren benutzt wird.

Der russische Gelehrte Pawlow () machte mit seinen Experimenten zur Konditionierung von Hunden Furore. Der pawlowsche Hund, der auf ein akustisches Signal hin sabbert, auch wenn er kein Futter bekommt, wurde sprichwörtlich. Dieses Ergebnis stützte LaMettries These.

Lassen wir die Verachtung der Kreatur beiseite, die aus dieser Sichtweise spricht und ziehen Fazit: Reflexe sind Mechanismen, Menschen und Tiere sind Maschinen, mithin durch entsprechend komplizierte Mechanismen nachbaubar. Die Idee zeigt klar, daß der Gedanke des deterministischen Verhaltens, damit seine mathematische Beschreibbarkeit auch auf Lebewesen anwendbar sein sollte. Das mechanistische Denken hatte nachhaltigen Einfluß auf den Gedanken, der Bau eines "intelligenten" Roboters sei mit mechanischen oder anderen technischen Mitteln möglich. Und der Gedanke weist bereits den Weg zum Turing-Test.

Und noch etwas: Das mechanistische Denken wurde auch dazu verwendet, um Gewalt gegen Menschen oder Tiere zu rechtfertigen. Teilweise erhielt damit sogar noch manche aristotelisch-aquinsche Betrachtungsweise einen erneuten Anschub, dessen Erfolg nur durch das Beharrungsvermögen dieser Gedankenwelt begründbar ist.

 Der Maschinenmensch

Die Prager Legende vom Rabbi Loew, der zum Nutzen der jüdischen Gemeinde aus Lehm einen Golem erschafft und magisch belebt, wurde von Gustav Meyrinck 1913 wieder aufgegriffen. Es ist die Geschichte des enorm kräftigen, aber stumpfsinnigen Wesens, das der Kontrolle seines Erschaffers entgleitet. Eine Variante der Legende endet damit, daß der Erdenker den Golem wieder in Lehm verwandelt, indem er das magische "Schem" von seiner Stirne wischt. Der Preis dafür ist hoch, denn der wieder leblos gewordene Lehmhaufen begräbt den Erfinder unter sich.

Kennzeichnend für die Zeit um 1920 sind das Schauspiel RUR "Rossums Universal Robots" von Karel Capek (deutsch: Werstands Universal Robots) und der Film Metropolis von Fritz Lang. Capeks Roboter sind Androiden; keine Maschinen, sondern künstlich erschaffene organische Wesen. Sie ähneln eher dem alchimistischen Homuncolus als dem eisernen Sklaven. Domin, der Fabrikchef, erklärt einer Besucherin den Fertigungsablauf:

DOMIN:  [...] Michbottiche für Teig. In jedem wird gleichzeitig Stoff für tausend Roboter gemischt. Dann die Kufen für Lebern, Hirne und so weiter. Dann werden Sie die Knochenfabrik sehen. Dann zeige ich Ihnen die Spinnerei.
HELENE: Was für eine Spinnerei?
DOMIN: Die Nervenspinnerei. Die Adernspinnerei. Eine Spinnerei, wo gleichzeitig ganze Kilometer von Verdauungsröhren laufen. Dann kommt der Montierraum, wo das ganze zusammengestellt wird, wissen Sie, wie Automobile. Jeder Arbeiter befestigt nur einen einzigen Bestandteil, und dann läuft es wieder selbständig weiter, zum zweiten, dritten, bis ins Unendliche. Das ist das interessanteste Schauspiel. Dann kommt das Darrhaus und das Magazin, wo die frischen Produkte arbeiten.
HELENE: Um Himmels willen, gleich müssen sie arbeiten?
DOMIN: Pardon. Sie arbeiten, wie neue Möbelstücke arbeiten. Sie gewöhnen sich an die Existenz. Wachsen gleichsam innerlich zusammen, oder so. Vieles in ihnen wächst überhaupt neu hinzu. Sie verstehen, wir müssen der natürlichen Entwicklung ein bißchen Raum gewähren [...]

Aus: Drux, Menschen aus Menschenhand, S. 264. Nach: Karel Capek, W.U.R. Werstands Unversal Robots, Vorspiel.

Die Tatsache, daß Handlungsautonomie eine gewisse Verstandesleistung und Denkautonomie erfordert, macht die Roboter beeinflußbar. Humanitätsliga und Bürgerrechtsorganisationen wollen die Freiheit der Roboter und reden sie ihnen ein, was zum Aufstand führt. Ihres Sklavendaseins überdrüssig, bekämpfen sie die Menschheit, um letztlich als bessere Rasse im Darwinschen Sinne zu überleben.

In Fritz Langs Metropolis wird die Handlung entscheidend durch einen Roboter, eine Androidin, gestaltet.

Frank Baum () griff in seinem Kinderbuch The Wizard of Oz das Thema der scheinbar lebenden, aber dennoch unvollständigen künstlichen Kreatur wieder auf. Wer kennt nicht die Vogelscheuche, die nur Stroh im Kopf hat und sich Verstand wünscht oder den Blechmann, dessen sehnlichster Wunsch ein Herz ist? Baum beleuchtet zwei wesentliche Aspekte, doch ein dritter wird stillschweigend vorausgesetzt: die mechanischen Wesen haben "Herzens"-Wünsche und Entscheidungsfreheit. Man muß noch dazu erwähnen: der Blechmann war ursprünglich ein Mensch, ein Holzfäller, der durch eine Unzahl von Unfällen mehr und mehr zu einer Prothese wurde. Anders ist das in Baums Fortsetzungsgeschichte yyy. Dort trifft die Heldin auf den Maschinenmenschen Toktock, der ein vollständig synthetisches Geschöpf ist.

 Aufbruchstimmung

Fernmanipulatoren, Mikromanipulatoren, Schildkröten und Hunde

Die Jahre 1930 bis ca. 1950 umreißen den Zeitraum, in dem mit Robotern experimentiert wurde. Experimentiert in dem Sinne, daß versucht wurde, einfachen Maschinen humanoides Aussehen zu geben und sie auf Kommandos reagieren zu lassen. Die äußere Form machte ließ Menschen glauben, es handle sich um "intelligente" Maschinen. Tatsächlich waren diese Apparate eher raffinierte Jahrmarktskuriositäten als echte technische Fortschritte. Auffällig ist, daß fast alle Roboter dieser Art übermenschengroß waren. Dies flößte mit Sicherheit Respekt und Furcht ein, machte aber auch den Erfinder ein wenig lächerlich, da er offenbar nicht in der Lage war, eine etwas handlichere Maschine zu bauen.

  

  

Televox reagierte auf Pfeifsignale verschiedener Frequenzen. Er konnte z.B. einen Staubsauger auf Befehl ein- und ausschalten. Die Vermutung liegt nahe, daß er - so statisch wie er aussieht - eher ein Loch in den Teppich gesaugt hätte, als aus eigener Erkenntnis den Staubsauger auszuschalten. Sabor war einer der letzten "Maschinenmenschen" Stets krankten solche Roboter an der technischen Schwierigkeit, ausreichend "denkfähig" zu sein. Mr. Ohm Kilowatt hörte auf gesprochene Fragen und gab (auf Tonband vorgefertigte) Antworten. Apparate dieser Größe waren aufgrund ihres Gewichts nahezu unbeweglich.

Den Erfindern der Roboter mangelte es nicht an Ideen, aber an den technischen Möglichkeiten, sie umzusetzen. Die Schwierigkeit, grundlegende Reflexe oder gar Intelligenz in ausreichender Packungsdichte zu bauen, ist bis heute nur rudimentär gelöst. Als diese Roboter entstanden, war die Röhrentechnik etabliert und der Transistor noch nicht oder gerade erst erfunden. Wissenschaften wie Kybernetik bzw. Informatik existierten noch nicht oder steckten in den Kinderschuhen. Man befaßte sich mit anderen, einfacheren, Aufgaben, als mit der Erschaffung dessen, was heute künstliche Intelligenz genannt wird.

Anfang der 1950er Jahre begann ernsthafte Forschungsarbeit an Roboterkonzepten. Im Buch Roboterschaltungen wird neben einer primitiven Tic-Tac-Toe-Maschine ein hundegestaltiger Laufroboter vorgestellt. Er ist das Produkt einer Arbeit an den Eindhovener Philips-Laboratorien. Hier ging es nicht mehr um Show und um Schnickschnack, sondern darum, mit welchen technischen Mitteln grundlegende Verhaltensweisen und Bewegungsabläufe von Tieren nachgeahmt werden könnten.

Bruinsma, Roboterschaltungen 1960, Tafeln zu S. 54-55

 Der Turing-Test

Was ist Bewußtsein? Zwei chinesische Philosophen stehen auf einer Brücke und schauen in den Bach unter sich. "Schau nur, wie die Fischlein unherspringen uund sich freuen!" "Woher willst Du wissen, daß sich die Fischlein freuen?" "Woher willst Du wissen, daß ich nicht weiß, daß sich die Fischlein freuen?"

Alan Turing (1912-1954), ein englischer Mathematiker, wird zu Recht von der modernen Kryptographie und der Informatik als einer der Väter beansprucht. Turing stellte folgende Aufgabe: Zwei getrennte Räume sind mit Fernschreibern verbunden. Man kann nicht in den jeweils anderen Raum sehen oder Geräusche aus ihm wahrnehmen. Die Kommunikation kann nur über die Fernschreiber erfolgen. Eine Versuchsperson, die in einem der Räume sitzt, soll durch Fragen und Antworten, die sie über den Fernschreiber eingibt bzw. erhält, mit dem nicht sichtbaren Partner im anderen Raum kommunizieren. Die Aufgabe ist herauszufinden, ob der Kommunikationspartner Bewußtsein hat. Einsichtig, daß ein Computer die Rolle des Kommunikationspartners übernehmen kann. Turing kam zu dem Schluß, daß wenn die Unterscheidung nicht möglich ist, dem Rechner ebenso Bewußtsein zugestanden werden müsse, wie einem menschlichen Kommunikationspartner.

Tatsächlich wirft der Turing-Test weit mehr Fragen auf, als er zu beantworten vermag. Stellen wir uns eine black box in humanioder Form vor. Gut, da haben wir also unseren Roboter, von mir aus mit Bewußtsein. Wir erweitern dieses technische Gerät um die Fähigkeit, aufzuschreien, wenn ihm ein schwerer Gegenstand auf das Gehäuse fällt. Wir sind wieder bei LaMettrie gelandet. Empfindet die Maschine Schmerz? Oder tut sie nur so? Und wo muß die Grenze gezogen werden? Ein Plattenspieler, der eine Platte mit aufgezeichneten Lauten des Mißvergnügens wiedergibt, hat deshalb keine Gefühle.

 Künstliche Intelligenz

Ich liebe diesen Begriff und seinen Bedeutungswandel. In den späten 1970er Jahren machte der Begriff "Artificial Intelligence" die Runde in der Fachwelt. "Intelligence", das ist das Herausfinden von Fakten, das Beschaffen von Informationen. Die CIA ist keine Intelligenz-Agentur, sondern eine Einrichtung, um Informationen auszugraben. "Artificial Intelligence" sollte diese Tätigkeit mittels Computerhilfe unterstützen und automatisieren. Neue Begriffe schwappen über den großen Teich, und in Deutschland hat man nichts Besseres zu tun, als falsch zu übersetzen. Die "Künstliche Intelligenz" war geboren - obwohl es hier bereits an der natürlichen haperte. Wenn die Amerikaner daran forschen, dürfen die Europäer nicht ins Hintertreffen geraten. Der amerikanische Informatiker Feigenbaum (nicht zu verwechseln mit Joseph Weizenbaum) kehrte nach einem wissenschaftlichen Kongress in die Staaten zurück und erzählte dort: "Die Germans und die Japaner forschen jetzt daran". Ein Aufschrei ging durch die dortige Fachwelt: Was, so weit sind die schon? Prompt wollte man in den Staaten nicht zurückfallen und änderte die Marschrichtung. Der ursprüngliche Inhalt des Begriffes hat sich inzwischen vollkommen gewandelt - und die ursprüngliche Idee ist heute mit dem Begriff "data mining" belegt. Wenigstens hat hier noch keiner daraus "Datenminen" gemacht und sie militärischen Fachstellen verkaufen wollen...

 Erwartungshaltungen

Jetzt, da sich langsam die ersten Lösungen herausschälen, wie eine Robotersteuerung aussehen könnte, die über die reine Kinematik und das Nachvollziehen stereotyper Handlungen hinausgeht, zeichnet sich ab, daß frühe Erwartungen an die Roboter zu hoch gegriffen waren. Die einfachen Steuerungen, die auf Pfeifsignale reagierten, hätten genausogut, wenn nicht gar besser, über Tastenaggregate verwirklicht werden können. Markant ist die Diskrepanz zwischen der humanoiden Form der Maschine und ihrem Handlungspotential, das selten die Fähigkeiten eines kurvengesteuerten Automaten erreichte. Die gewünschte oder unterstellte Handlungsfreiheit innerhalb gewisser Grenzen ist kein Mengenproblem, sondern erfordert eine andere Qualität.

Erste wirkliche Fortschritte wurden erzielt, als die Kybernetik als Wissenschaft aufblühte und einige Erfolge verbuchen konnte. Grundlegende regelungstechnische Mechanismen, so war die überraschende Erkenntnis, erfordern nur einfachste Technik und bringen erstaunliche Verhaltensmuster hervor. Berühmt wurde die Roboterschildkröte Elsa.

Elsa konnte einige grundlegende tierische Verhaltensmuster abbilden: Suche nach Licht und Nahrung, die in Form von Elektrizität an einer Ladestation zur Verfügung gestellt wurde. Selbst heute noch sind Roboter ähnlich einfacher Bauart dankbare Forschungsobjekte. Typische insektenartige Verhaltensweisen lassen sich leicht nachbilden. Speziell dem Kooperations- und Schwarmverhalten widmet die Wissenschaft ihre Aufmerksamkeit. Im Sinn der Hofstadterschen Ameisenkolonie kann die Kolonie recht klug sein, während jede einzelne Ameise so dumm ist, wie man nur sein kann. Wie schwierig jedoch komplexere, koordinierte Zusammenarbeit zu verwirklichen ist, zeigen die alljährlich stattfindenden Fußballwettkämpfe um den Robocup.

 Numerisch gesteuerte Maschinen

Während die Welt über die humanoiden Roboter staunte und lächelte, vollzog sich weitgehend unbemerkt ein Wandel in der Produktionstechnik. Kurz nachdem die ersten Computer erfunden waren, wurde nachgedacht, sie zur Steuerung fertigungstechnischer Abläufe einzusetzen. Lochstreifengesteuerte Werkzeugmaschinen verdrängten relativ bald die herkömmlichen, mittels Kurvenscheiben gesteuerten Automaten. Die nächste Generation war einfacher und flexibler programmierbar; erste, durch Datenaustausch synchronisierte, Fertigungsketten wurden erdacht. Vom Rechner, an dem die CAD-Konstruktion entstand, bis hin zum fertigen Werkstück - das war der Traum der CIM-Erfinder. Nicht mehr der Automat mit langen Rüstzeiten war gefragt, sondern die flexible Maschine, die wechselnden Anforderungen mit wenig Aufwand angepaßt werden kann.

 Industrieroboter

Produktionsroboter sind nichts anderes als universelle Werkzeugmaschinen. Ihre Einsatzgebiete umfassen z.B. die Teilehandhabung, das Lackieren von Karrosserieteilen und die Arbeit in gefährlichen Umgebungen. Der beginnende Einsatz der Industrieroboter rief die Gewerkschaften und Arbeitnehmer auf den Plan. Die Furcht, Arbeitsplätze könnten in großem Maße verloren gehen, überwog den Gedanken, daß der Robotereinsatz neue Potentiale öffnen konnte. Nun, zwanzig Jahre später, trauert keiner mehr der körperlichen Schwerstarbeit in Schweißerei und Gießerei nach und auch das Serienlackieren von Automobilen überläßt man gerne (trotz umweltverträglicher Wasserlacke) dem "Blechkumpel". Insbesondere die Automobilindustrie war Wegbereiter der flexiblen Fertigung. Es überrrascht wenig, daß die ersten Roboter in Deutschland von den Fahrzeugherstellern selbst entwickelt wurden; sei es Volkswagen im Westen oder die Trabantwerke in der DDR.

Ganz im Leibnizschen Sinne hat sich der Mensch zum Teil von der eintönigen Arbeit befreit, nur um sein eigener Sklave anders gearteter Zwänge zu werden.

 Nochmals: Literatur und Film

Die Science-Fiction-Literatur nach dem zweiten Weltkrieg ist reich an Kurzgeschichten, Erzählungen und Romanen, in denen Roboter eine wesentliche Rolle spielen.

   Ein Schlüsselwerk stellt Isaac Asimovs Erzählung "I Robot" (1950) dar. In ihr werden erstmalig die Robotergesetze formuliert:
  1. Ein Robot darf kein menschliches Wesen verletzen oder durch Untätigkeit gestatten, daß einem menschlichen Wesen schaden zugefügt wird.
  2. Ein Robot muß den ihm von einem Menschen gegebenen Befehlen gehorchen, es sei denn ein solcher Befehl würde mit Regel eins kollidieren.
  3. Ein Robot muß seine Existenz beschützen, solange dieser Schutz nicht mit Regel Eins oder Zwei kollodiert.

Die Gesetze Asimovs zeigen klar, daß dem Roboter eine Leistung abverlangt wird, die sich vom rein mechanischen Handeln weit entfernt. Sie verlangt das bewußte Aufnehmen und Verarbeiten einer Sachlage und das Reflektieren über die Folgen einer Handlung bzw. deren Unterlassung. Die Bandbreite der Science-Fiction-Literatur ist groß. Neben Autoren wie Asimov und Lem, die versuchten, die Konsequenzen autonomen intelligenten Verhaltens von Robotern auszuloten, gab eine eine Massenproduktion, die den Konsumleser ansprach und mehr auf den Effekt als auf Qualität und Plausibilität setzte. Dennoch trug diese Literatur und eine ganze Anzahl von billig produzierten Filmen dazu bei, das Bild des Roboters zu formen.

  

  

Perry Rhodan - Heft 270. Die Sories machten ausgiebigen Gebruch von Robotern, hauptsächlich als Kampfroboter, die auf die Bösen schießen durften. Utopischer Leihbücherei-Roman. Auf volumigem Papier gedruckt, ergab eine dünne Taschenbuch-Geschichte einen dicken "Roman". Der Fortschrit macht vor Untugenden nicht halt. Ein stark angeheiterter Roboter kämpft mit seinem Gleichgewicht.

Die Autoren des Genre waren sich der manchmal unfreiwilligen Komik ihrer Geschöpfe wohl bewußt. Warum also nicht gleich drauflosschreiben, was so alles vorkommen könnte, wenn... Siehe das zuletzt vorgestellte Titelblatt. Man fragt sich unwillkürlich, wie weit Ingenieure die Menschenähnlichkeit des Roboters treiben sollten.

Ich möchte noch ein wenig bei der Science-Fiction-Literatur verharren und Streiflichter auf einige Autoren und ihre Werke werfen.

Stanislaw Lem schrieb die Erzählung die Insel der Krebse. Im Rahmen eines geheimen Projektes soll die Evolution selbstreproduzierender, krebsartiger Roboter erforscht werden. Der Plan ist einfach: Die Roboter scheuen das Salzwasser und sind deshalb auf der Insel gefangen. Die zuvor deponierten Vorräte an Metallen und anderen für die Reproduktion notwendigen Materialien sind bald erschöpft und die Roboter sind gezwungen, ihre Artgenossen zu kannibalisieren. Der Erfinder erwartet, daß durch die technischen Ungenauigkeiten bei der Reproduktion leistungsfähigere Roboter entstehen. Die weniger leistungsfähigen Apparate werden, ganz im Darwinschen Sinne, als untauglich von ihren Konkurrenten verschrottet und nutzbringend verwertet. Der Versuch verläuft anfangs plangemäß, verläßt dann aber die gewünschten Bahnen.

In den Robotermärchen wird die Autonomie der Roboter auf die Spitze getrieben. Die Roboter sind die Guten, die Helden, die Menschen (die Bleichlinge, man nur legenden- und gerüchteweise kennt), die Bösen. Doch bei aller Phantasie und Schelmerei stellt sich heraus, daß Roboter durchaus unehrenhaft handeln können. Neid, Gier, Betrug und Intrigen gehören zum Spiel. Eines der Märchen endet mit dieser nachdenklichen Wendung: "...und der Schwindel kam nie ans Licht. Hieraus erseht ihr sogleich, daß ich die Wahrzeit erzählt habe, und kein Märchen. Denn im Märchen siegt immer die Tugend." (S.34)2

   Boy Lornsens Robbi Tobbi und das Fliewatüüt (1967) erzählt die Geschichte eines recht jungen Erfinders, der dank des technischen Geschicks des Roboters "Robbi" die Verwirklichung seiner Erfindung nebst vielen gemeinsamen Abenteuern erleben darf. Inzwischen ist das ein echter Jugendbuchklassiker. Mich faszinieren zwei Punkte:
  • Robbi geht in die dritte Roboterklasse. Klingt einsichtig, auch Roboter müssen lernen. Die Erkenntnis überrascht auf den zweiten Blick, beweist aber durchaus Weitsicht. Wer sich mit Assoziativspeichern oder neuronalen Netzen befaßt, wird bestätigen, daß Lernen ein wesentlicher Teil des "Trainings" ist.
  • Einserseits behauptet der Robbi von sich, nicht kreativ zu sein. Er mußte sich also die Erfindung "ausleihen". Im Laufe der Geschichte entwickelt er aber durchaus kreative Einfälle.

Kreativität als eine Eigenschaft von Robotern? Die Fähigkeit zu Erfindungen gesteht man bisher nur Tieren und Menschen zu.

 Der Cyborg

Cyborg ist ein Kunstwort, zusammengezogen aus Cybernetic Organism. Der Cyborg ist eine Erfindung der Science Fiction Literatur, die das Konzept der Prothese auf nahezu vollständigen Ersatz des organischen Körpers ausgedehnt hat. Gelänge es, ein Gehirn künstlich am Leben zu erhalten und neu zu "verdrahten", dann ließen sich, abgesehen von der vordergründigen Prothetik, vielfältige Einsatzgebiete denken. Weltraum- und Tiefseeforschung, Militär und, und, und... Abgesehen von technischen und moralischen Fragen, die es zu beatworten gilt, ist diese Idee ein interessantes Konzept zwischen dem synthetisch erzeugten Roboter und dem natürlichen Lebewesen. Auf welcher Zwischenstufe findet der Übergang zwischen einer Maschine und enem Lebewesen statt?

 Eine Entmythologisierung

Die Realität der industriellen Arbeitswelt hat die monströsen Roboter der 1940er Jahre überholt. Die frei programmierbare Maschine ist im Verständnis nicht mehr als ein gewöhnlicher Computer, der ein mechanisches Ausgebegerät hat. Wie alle von Menschen geschaffenen Maschinen ist er in gewissem Maße fehleranfällig. Der Mythos der selbständig denkenden Maschine ist dem nüchternen Alltag gewichen.

Inzwischen haben Spielroboter Einzug in die Kinderzimmer gehalten und Aibo rutscht immer im Weg herum. Es gibt genug Anwendungen, für die spezialisierte Roboter auch im privaten Bereich nützlich sind. Ich habe eine Rasenmäher, der eher aussieht wie eine Schildkröte. Der Apparat frißt sich gemütlich über das Grundstück, achtet auf seinen Begrenzungsdraht und erspart mir die Mäherei.

 Humanioden und Simulacra

Es dauerte ziemlich lange, bis die Forschung herausfand, daß gehende Roboter nicht den Anfang, sondern das Ende einer langen Entwicklung sein werden. Gehen ist ein komplexer mechanischer und regelungstechnischer Prozeß, Gehen auf zwei Beinen vermutlich der schwierigste. Apparate mit vier oder mehr Beinen sind zwar einigermaßen eigenstabil, doch die Koordination der Füße erfordert beachtlichen Aufwand. Erste bedeutende Fortschritte wurden erzielt, als durch neurobiologische Untersuchungen die Gehmechanismen von großen Insekten, wie z.B. Stabheuschrecken erforscht wurden. Zu aller Überraschung fand man heraus, daß sich die Beine der Heuschrecke mittels einfachen Datenaustausches untereinander selbst synchronisieren, während die dazu nötige zentrale Denkleistung gering ist. An dem alten Witz über den Tausendfüßler, der gefragt wurde, wie er das mit den vielen Beinen macht, zu laufen, ohne durcheinanderzukommen ist etwas dran. Der Tausendfüßler fängt an, darüber nachzudenken, und kommt ins Stolpern

 Roboterartige Kraftverstärker

In den 1960er Jahren kamen erste Konzepte von Gehmaschinen auf, die sich nicht selbständig bewegen konnten, sondern als eine Art Exoskelett einem darin stehenden Menschen größere Kräfte oder Schnelligkeit verleihen sollten. Die Steuerung griff unmittelbar die Betätigungskräfte ab und übertrug sie vervielfacht auf den äußeren Mechanismus. Der Mangel an leistungsfähigen Batterien hoher Kapazität, leichten, aber starken Elektromotoren und ausreichend raffinierter Steuerungen verzögerte diese Konzepte, die hauptsächlich militärischen Zwecken dienen sollten. Inzwischen werden sie wieder ernsthaft fortentwickelt. Erste Applikationen sind der Einsatz im medizinischen Bereich, wo sie die körperliche Arbeit des Pflegepersonals erleichtern sollen.

 Gentechnik

Eingedenk der legendären Ideen, einen Homulculus zu schaffen, der Capekschen Vision, künstlich erzeugte organische Androiden zur Arbeit anzuhalten, stellt sich die Frage, inwieweit die Gentechnologie einen Teil dieser Visionen nicht in den Bereich des Möglichen gerückt hat. Das Klonschaf Dolly war der lebende Beweis dafür, daß ein identischer Zwilling zu einem Säugetier ausgeführt werden kann. Der Gedanke, es handle sich nicht um ein Lebewesen, sondern schlicht um einen Roboter, vermag sich nicht einzustellen. Was man vermißt, ist die Zielsetzung, dem künstlich erzeugten Wesen eine Spezialisierung auf ein bestimmtes Aufgabenfeld zu verpassen.

 Die Zukunft

Aibo & Co.,

Operationsroboter

Nanoroboter

Die Unterstützung der kämpfenden Einheiten durch entsprechende High-Tech-Verstärker-Prothesen ist ein fester Bestandteil der militärischen Forschungsarbeit. Der Wunsch ist, einen Über-Soldaten zu schaffen, der seinen Gegnern überlegen ist. Speziell in den USA wird dieses Thema stark vorangetrieben. Hier zeichnet sich ab, daß der Roboter eher ein Verstärker, denn ein Ersatz des Menschen sein soll. Allerdings werden auch Begehrlichkeiten der Militärs bearbeitet, die den Einsatz komplett autonomer Roboter im Feld ermöglichen sollen. Die Vorteile sind klar: Man scheut sich weniger, eine leblose Maschine zu riskieren, als einen Menschen. Und was besonders wichtig ist: Man kann völlig verantwortungslos Krieg führen und Maschinen auf echte oder vermeintliche Feinde schießen lassen.

 Zum Abschluß - Ein Anfang

Den Roboter schlechthin gibt es nicht. Spezialisierte Maschinen haben jedoch teilweise in großem Umfange Tätigkeitsfelder übernommen, die früher Menschen vorbehalten waren. Doch was wird kommen, was könnten Ziele der Forschung sein, was könnte sich ergeben? Bislang sind Roboter weder zu großen kognitiven Leistungen fähig, noch zur Analyse komplexer Kausalzusammenhänge oder gar zu Kreativität. Entscheidungs- und Handlungsautonomie scheinen an diese Fähigkeiten gebunden zu sein. Vorher ist der Gedanke, die Asimovschen Gesetze Wirklichkeit werden zu lassen, nicht umsetzbar.


Anmerkungen:

1. alle Titelblätter von Büchern und Heftromanen aus dem Archiv des Verfassers.

2. Ende des Märchens: Erg Selbsterreg überwindet den Bleichling. In: Lem, Robotermärchen.


Stand: 24.03.2004 /
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