HPs Historischer Bilderbogen

Es war einmal...

...vor noch gar nicht so langer Zeit. Den ganz Jungen erscheint diese Zeit weit entfernt und den ganz Alten kommt sie seltsam vertraut vor. Eine Zeit, die man gelegentlich "die gute alte Zeit" nennt, obwohl sie gar nicht so gut war. Jene Zeit war von häufigen Kriegen geprägt, von nachfolgenden oder vorausgehenden Nöten, und von Arbeitslosigkeit. Wenn nicht hier, dann anderswo. Die gute alte Zeit brachte auch Erfinder hervor. Gute und weniger gute Erfinder. Und natürlich gab es auch gute und weniger gute Erfindungen. Und manche Erfindungen waren so gut, raffiniert und neu, daß sie gleich wieder vergessen wurden. Dann dauerte es eine ganze Weile; die gute Zeit wurde schlechter und irgendwann, nach einem oder zwei großen Kriegen, gab es wieder Erfinder. Gute und weniger gute. Und wieder hatten sie viele Einfälle, ohne zu ahnen, daß andere vor ihnen diese Einfälle auch hatten. Und manch' einer war dabei, der kannte diese Einfälle und dachte sich: "Ei, das kennt inzwischen keiner mehr, das kann ich heute neu erfinden." Von den Erfindungen, die so alt sind, und doch so neu, erzählt dieser Bilderbogen.


Illustrierte Berliner
Zeitung
1911
    Nehmen wir doch mal diesen etwas verwirrt dreinblickenden Herren in näheren Augenschein. Heute trüge er wohl einen Business-Anzug. Damals waren Frack und Zylinder standesgemäß. Der aufgeschlagene Gehrock dient nicht etwa der Demonstration der neuesten, von den russischen Anarchisten erfundenen Sprengstoffpatronen. Es handelt sich vielmehr um ein Batteriepaket, das die aktuellste Erfindung in Betrieb hält, ein Telektroskop. Einen drahtlosen Telegraphenempfänger, der geschickt verteilt auf Frack, Gürtel und Zylinder, den Empfang der neuesten Nachrichten erlaubt - Börsenkurse wohl. Ist die Verwirrung auf einen Kursturz zurückzuführen? Oder nur auf leere Batterien?

Heute hätte dieser Herr ein Handy.

In der guten alten Zeit trugen die Herren Hüte. Ein Hut, der ziert, und er kann, wenn man an Bekannten vorübergeht, mit einem höflichen "Guten Tag" gelüpft werden. Das heißt: er muß! Das verlangen Anstand und Etikette. Dieser Plicht kommt man gerne nach - doch gelegentlich hat der freundliche Herr zwei schwere Gepäckstücke zu transportieren. Das Absetzen des Gepäckes nötigt nahezu zum Gespräch, wenngleich nur der Etikette genügt werden soll. Wie es der Teufel will: der Zug ist verpaßt, der Anschluß auch, und die gute Laune ist dahin. Ein Erfinder, dem dieses mißliche Geschick widerfuhr, erdachte einen Grußapparat, der es erlaubt, den Hut zu lüpfen, ohne seine Transportarbeit dabei zu unterbrechen. Ein leichtes Neigen des Kopfes, freundliche Verbindlichkeit signalisierernd, hebt zugleich den Hut und der Etikette ist Genüge getan. Die sinnreiche Vorrichtung wurde 1896 in den USA patentiert.    
    Wer kennt nicht Loriots legendären "Saugblaser Heinzelmann"? Was Frau Hoppenstedt in den 1980ern als Weihnachtsgeschenk recht ist, konnte der Hausfrau von 1929 nur billig sein. Technik im Dienste der Hausfrau! Hier sehen wir in voller Schönheit (rechts die Dame, links die Maschine) den höchst praktischen wie formschönen Vorläufer.
Heute groß gepriesen und als neueste Errungenschaft gefeiert: der Scheinwerfer, der in die Kurven leuchtet. Wir erinnern uns... Es war einmal ein Auto, das seiner Zeit weit voraus war, die DS. Eigentlich, so sagen die Fans mit glänzenden Augen "Die Déesse" und wer des Französischen leidlich mächtig ist, ahnt: das sind echte Fans, die ihr Fahrzeug vergöttern.

Die schnöde Technik enthielt unter anderem zwei schwenkbare Scheinwerfer, die in die Kurven hineinleuchteten. Jetzt habe ich den Kennern nichts Neues erzählt.

Doch die Idee entstammt einer früheren Zeit. Der raffiniert angebrachte Seitenstrahler von 1930 erfüllt denselben Zweck. Über die Frage der Stromzufuhr schweigt sich die Notiz im Magazin "Wissen und Fortschritt" leider aus.

   
Beweglicher Scheinwerfer an der Vorderachse, stellt sich in Fahrtrichtung ein. In jede noch so unübersichtliche Kurve wird hineingeleuchtet.
    Raserei beim Autofahren war der Obrigkeit schon immer ein Dorn im Auge. Nachdem eine Gazette um 1895 herum getitelt hatte: "Sind Autoler gar verrückt?", war der Siegeszug des vierrädrigen Vehikels nicht mehr aufzuhalten. In den Vereinigten Staaten kam man frühzeitig auf den Gedanken, durch eine zweckmäßige Beschilderung den Fahrer vom Weg der Untugend abzubringen und ihm nahezulegen, doch lieber die Spur auf dem Highway zu halten.
Reifendruckkontrolle ist ein altes Thema. Man kann Elektronik verwenden - oder einfach gleich beim Auffüllen auf den richtigen Druck achten. Das hier gezeigte Ventil pfeift, wenn der benötigte Druck erreicht ist. Einfach, billig und stromunabhängig. Klar, daß dieser Erfindung kein Erfolg beschieden war.    

1960 stellte das technische Magazin "hobby" diesen ausgefeilten Vorschlag Professors Manfred von Ardenne vor. Ein Automobil, das durch deformierbare Kunststoffblöcke den Insassen eine Überlebenschance bei Unfällen auch bei hoher Geschwindigkeit bieten soll. Die Insassen sitzen mit dem Rücken gegen die Fahrtrichtung und beobachten das Geschehen mittels Bildschirm und Periskop. Schleierhaft, wozu eine Panoramascheibe nötig ist, die die blendenden Scheinwerfer der nachfolgenden Fahrzeuge zu besichtigen erlaubt. Und auch die Frage, wie ein ca. sieben Meter langes Gefährt durch typische deutsche Kleinstadtgassen fahren soll, bleibt unbeantwortet.

Ansonsten ist alles drin, was des High-Tech-Freaks Herz höher schlagen läßt: Radar-Antennensystem, 3 Fernsehkameras, Radarelektronik zur Ausschaltung der Schrecksekunde, Weitwinkel-Periskop und eine Scheibensicherung, die sich beim Aufprall nach oben schiebt, um die Fahrzeuginsassen vor Verletzungen durch Glassplitter zu bewahren.


Stand: 23.10.2003 /
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