Signale und Nachrichten

Schon die alten Griechen...

...das sind die Einleitungsworte, die Kurt Tucholsky in seinen "Ratschlägen für einen schlechten Redner" empfiehlt. Hier sind sie geeignet. Aus der griechischen Technik ist wenig überliefert, und das Wenige befaßt sich nicht mit Rechengeräten - ausgenommen die sogenannte "Maschine von Antikythera" - ein komplexes feinmechanisches Gebilde, dessen Bedeutung und Herkunft im Dunkeln liegt. Was aus der griechischen Antike überliefert ist, sind Techniken zur Nachrichtenübermittlung.

Der Wunsch zur schnellen Übertragung von Informationen ist uralt. Schnell heißt: schneller als ein Läufer, schneller als ein berittener Bote, schneller als der Schall - je nach Epoche und dem Stand der Übertragungstechnik. Bemerkenswert ist, daß die frühesten überlieferten Systeme mit Licht, also dem schnellsten Übertragungsmedium überhaupt, arbeiteten. Die nicht an die physische Übertragung einer Nachricht (z.B. in Form eines Pergaments, auf das ein Text geschrieben ist) gebundenen Verfahren werden als Telegraphie bezeichnet.

Oberliesen nennt den Griechen Aischylos als frühesten Chronisten einer telegraphischen Informationsübertragung: in seinen Drama "Agamemnon" wird die Strecke beschrieben, auf der mittels Signalfeuern der Sieg über Troja gemeldet wurde: Ziel der Nachricht war Mykene. Die Darstellung ist historisch sicher nicht zuverlässig, was die Übertragungsstrecke betrifft; sie zeigt aber deutlich, daß die Nachrichtenübertragung durch Signalfeuer zur Zeit des Aischylos gängig war. Die Art der Übertragung war nicht ohne Schwierigkeiten: die Telegraphen waren dem Wetter ausgeliefert, die Weiterleitung des Signals war von der Aufmerksamkeit der Streckenposten abhängig (schließlich konnte er schlafen oder von Feinden überwältigt worden sein) und sie war nicht "abhörsicher". Schlimmer noch - es sind aus der Antike Berichte bekannt, daß Signale gefälscht oder mißverstanden wurden - mit zum Teil verheerenden Folgen.

Das hier vorgestellte Verfahren hat wesentliche Nachteile:

Thukydides, ein griechischer Historiker, beschreibt ca. 70 Jahre nach Aischylos bereits verschiedenerlei Signalzeichen, die durch Fackeln übermittelt wurden und präzisere Informationsübertragung ermöglichten. So gelang es dem Flottenführer Alkidas aufgrund der ihm über Feuerzeichen mitgeteilten Stärke der feindlichen Flotte die Planung der eigenen Strategie, die zur entscheidenden Wende im Peleponnesischen Krieg (414-412 v.Chr.) führte; vgl: Oberliesen, S.xxx.

Polybios berichtet um das Jahr 350 v.Chr. von einem hydraulischen Wassertelegraphen, den Aeneas erfand: Durch das synchrone Absenken von Wasserpegeln in zwei Gefäßen (eins beim Sender, eins beim Empfänger), werden Schwimmer mitbewegt, auf denen in regelmäßigen Abständen Markierungen angebracht sind. Jede Markierung trägt eine Beschriftung. Diejenige Marke, die die Höhe der Gefäßoberkante hat, bezeichnet die gültige Nachricht.

Derselbe Polybios schlägt auch ein erstes Codierungsverfahren vor, um beliebige Nachrichten zu übertragen. Dabei bedient er sich eines matrixartigen Schemas, in dem jedem Zeichen ein Muster zugeordnet ist, das durch leuchtende bzw. nichtleuchtende Fackeln wiedergegeben wird. Mangels Überlieferungen von der Leistung dieses Verfahrens und auch wegen der zu erwartenden geringen Länge des Übertragungsweges, muß angenommen werden, daß Polybios sein sinnreiches Verfahren nie praktisch anwendete.

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Das römische Reich bedurfte kurioserweise kaum der von den Griechen entwickelten Feuertelegraphie: Durch den "Cursus publicus", einem gut organisiertem Straßenwesen, das ausschließlich staatlichen Zwecken diente, war die Informationsübertragung durch Boten schnell genug, um nicht den Wunsch nach einem noch schnelleren Verfahren aufkommen zu lassen (Geschwindigkeit bis zu 300 km/24 h für besondere, schnelle Reiter). Durch den Zerfall des römischen Reiches brach auch der Cursus publicus spätestens im 6. Jahrhdt. n. Chr. weitgehend zusammen. Berichte über byzantinische Feuertelegraphen des 10. und 11. Jahrhdts müssen in diesem Zusammenhang kritisch bewertet werden: es besteht zwar an der Glaubwürdigkeit der Quellen und Verfahren wenig Zweifel, aber gerade in jenen Teilen des byzantinischen Reiches, das von den Sarazenen angegriffen wurde, war der Cursus publicus noch intakt.

Wesentliche Neuerungen der Telegraphie sind erst im ausgehenden 18. Jahrhundert entstanden. Sie werden uns noch begegnen.

 Anmerkungen zur Antike - und Exkurs

Die Einleitung "...schon die alten Griechen..." ist unverantwortlich. Sie sollte besser heißen "... erst die alten Griechen ...", zumindest, wenn wir die zweite wesentliche Wurzel der Informatik betrachten: die Mathematik. Sie geht ihrerseits auf die Belange der Praxis zurück: der Landvermessung und der Astronomie - oder Astrologie - so genau kann man das bis in Keplers Zeit noch nicht trennen. Nun soll hier nicht etwa eine ausführliche Betrachtung der Geschichte der Mathematik folgen, denn allein damit lassen sich voluminöse Bücher füllen. Wir werfen nur einen kurzen Blick auf die Errungenschaften, die zeitlich vor dem uns bekannten Signalwesen liegen. Alle Historiker der Mathematik bitte ich, gnädig wegzublicken: die hier vorgestellte Auswahl ist sehr knapp, und für jeden genannten Namen müssen viele weitere verschwiegen werden. Alle Zahlenwerte und Beispiele sind in unserer heutigen Schreibweise für Zahlen bzw. Formeln wiedergegeben.

Die Ursprünge der Mathematik verlieren sich in grauer Vorzeit; die Anfänge sind vor 5000 Jahren zu beobachten.

Sumerer und Babylonier sind die ersten uns durch Dokumente bekannten Mathematiker und Astronomen. In den astronomischenWerken tritt schon früh die Basiszahl 60 für Berechnungen auf; unsere heutige Einteilung der Zeitrechnung läßt sich auf diese Wurzeln zurückführen. Um 2000 v.Chr. kann die babylonische Rechentechnik der ägyptischen als überlegen gelten. Den Babyloniern sind Dreiecks- und Quadratzahlen bekannt; durch Tabellierung von Quadrat- und Kubikzahlen gelingt den Babyloniern die Erfindung abgekürzter Multiplikationsverfahren. Bestimmte Fälle von quadratischen und sogar kubischen Gleichungen wurden ebenfalls bewältigt, wenngleich negative oder gar imaginäre Lösungen weder bekannt, noch gesucht waren. Ein Fortschritt gegenüber den babylonischen Methoden bei der Lösung dieser Klasse von Gleichungen wurde erst im 16. Jhdt. erzielt. Das Rechnen mit Bruchteilen des Ganzen war den Babyloniern ebenfalls vertraut; so kannten sie ausgezeichnete Näherungswerte wie z.B.:

17/12 = Ö 2

Waren die Babylonier die besseren Rechner, so verstanden sich die Ägypter auf das Messen. Die Länge des Sonnenjahres ermittelten sie zu 3651/4 Tagen. Nach Hogben fand dies im Jahr 4241 v.Chr. statt, "wie die heutige Astronomie mit ziemlicher Sicherheit feststellt". Woher Hogben diesen Wert gewinnt, ist rätselhaft, da aus dieser Zeit keine Dokumente überliefert sind. Wahrscheinlicher scheint die Hypothese xxx's, der die Erkenntnis ins Jahr n v.Chr. datiert. Den Ägyptern war der Näherungswert von 256/81 für p bekannt.

Sicher ist, daß der Bau der ägyptischen Pyramiden nicht ohne Kenntnisse der Geometrie möglich war. Insbesondere die Meß-Schnur mit Knoten in regelmäßigen Abständen wurde benutzt; so wurde z.B. die Schnur mit 3, 4 und 5 Knoten verwendet, um den rechten Winkel auszulegen. Den (sogenannten) pythagoreischen Lehrsatz kannten sie zu dieser Zeit wohl noch nicht; jedoch war den Babyloniern eine größere Anzahl pythagoreischer Zahlentripel bekannt. Aus der Zeit um 1500 v.Chr. sind Zahlzeichen der Ägypter nachgewiesen; sie verwendeten verschiedene Symbole zum Bezeichnen der Zahlen 1 bis 9, hatten Symbole für 10, 100 und 1000. Sie schrieben in Stellenwertschreibweise, wenngleich in umgekehrter Reihenfolge, als dies heute üblich ist. Die meisten Völker benutzten - wie die Ägypter - die Zahl 10 als Basis ihres Zahlsystems.

Aus der Zeit um 1600 v.Chr ist ein Rechenbuch überliefert: Der sogenannte Papyrus Rhind. Es handelt sich um Aufgaben im Zahlenrechnen, darunter auch Aufgaben im Bruchrechnen. Eine von ihnen lautet (Quelle: Hogben, S. yyy):

Gegeben 1/4, 1/8, 1/10, 1/30, 1/45. Bringe die Summe auf 1/3

(Anmerkung: Die Ägypter verwendeten grundsätzlich Stammbrüche - also Brüche mit dem Zähler 1 - zur Darstellung von gebrochenen Zahlen, ein schwerfälliges Verfahren)

Die Griechen bilden zeitlich eher den Abschluß der Geometrie, wie sie von den Babyloniern und Ägyptern begründet wurde. Ihnen gebührt das Verdienst der strengen Beweisführungstechniken (Thales) und der Systematisierung des geometrischen Wissens, die Euklid in seinem Lehrbuch „Elemente" zusammenfaßt. Dokumente aus Euklids Zeit sind nicht erhalten; die Elemente sind durch arabische Mathematiker überliefert worden.

Wer nun mehr über die Historie der Mathematik, der Astronomie und ihrer scharfsinnigen Erdenker wissen will - und insbesondere jenen, die (noch) kein Interesse an diesem Gebiet haben - denen seien die vorzüglichen Bücher von Hogben, Kearney und Colerus empfohlen. Stärker mathematisch orientiert und aus der heutigen Sichtweise formale Betrachtungen bieten die Werke von Gericke und van der Waerden. Einen kompakten Überblick über die Geschichte der Mathematik von derAntike bis ins 19. Jhdt. stellt das Buch von Cajori dar.

 Napoleon

Erst 1791 wird eine grundlegende Neuerung der optischen Telegraphie bekannt. Claude Chappe erdenkt einen Zeigertelegraphen, der durch die Anzeige von Zeichen, die zifferblattartig angeordnet sind, beliebige Texte übermitteln kann. 1793 wird der Bau einer Versuchsstrecke von Paris nach Lille (ca. 60 km) beschlossen. Der zur Ausführung gebrachte Telegraphenapparat ist auf einem Mast angebracht, bei dem sogenannte "Indikatoren" - Semaphore - die Codierung des Zeichens übermitteln. Im August 1794 wird die Strecke in Betrieb genommen. Ihr Erfolg ist außergewöhnlich, und Claude und sein Bruder Abraham Chappe werden vom Nationalkonvent zu Telegrapheningenieuren ernannt. Natürlich ist das Militär an dieser Erfindung äußerst interessiert. Alles was die Telegraphie betrifft, wird zur Geheimsache erklärt; die Bauarbeiten an weiteren Telegraphenstationen finden unter schärfster Bewachung statt; die Preisgabe von Informationen über die neue Technik gilt als Hochverrat.

Die Telegraphenlinie erwies sich als politisches Machtinstrument sehr wertvoll. 20 Jahre später hatte Napoleon Bonaparte ein Telegraphennetz zur Verfügung, das - nach strategischen Gesichtspunkten geplant - ganz Frankreich umspannte.

In Deutschland erwachte der Wunsch zu einer Telegraphenlinie erst um 1820. Da seinerzeit das preußische Staatsgebiet aus zwei disjunkten (=nichtzusammenhängenden) Flächen bestand, wurde 1832 die Errichtung einer optischen Telegraphenlinie beschlossen, die Berlin mit Koblenz verband. Die Entfernung von 600 km wurde durch 61 Stationen überbrückt; die Übermittlung einer Nachricht konnte unter günstigen Bedingungen mit nur 15 Minuten Übertragungszeit stattfinden. Die Übertragungsrate lag bei maximal 2 bis 3 Zeichen pro Minute. Hieraus ergab sich zwangsweise die Notwendigkeit, ebenso wie aus Gründen der Geheimhaltung, der Codierung der Nachrichten. Da der preußische Telegraph rein kombinatorisch 4096 verschiedene Signale zuließ, konnte eine reichhaltige und zugleich kompakte Codierung gefunden werden.

Private Telegraphenlinien waren verboten. Ein Antrag der Berliner Kaufmannschaft, die Telegraphenlinie wenigstens zur raschen Übermittlung von Börsenkuren zu nutzen, wurde 1835 ausdrücklich abgelehnt.

In England bestand von ca. 1800 bis 1830 ebenfalls eine Telegraphenlinie, die an der Südküste die Städte von Plymouth über London bis Yarmouth verband. Auch diese Linie war ausschließlich militärischen und staatlichen Zwecken vorbehalten. Einige Jahre nach der Schlacht von Trafalgar (1805) wurde sie außer Betrieb genommen, aber nach der Rückkehr Napoleons eiligst wieder instandgesetzt.

Alle optischen Telegraphen hatten den entscheidenden Nachteil, von der Witterung abhängig zu sein. An heißen Sommertagen flimmerte die Luft so stark, daß ein Ablesen der Semaphorstellungen der Nachbarstationen kaum möglich war; bei Dunst entfiel die Nachrichtenübermittlung sprichwörtlich "wegen Nebel".


Stand: 19.11.2002 /
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